Das hätte mehr Potential gehabt: In Düsseldorf feiert ein fabelhaftes Ensemble das rauschende Comeback der Comedian Harmonists und findet sich dabei statt im Glanz und Gloria der Zwanziger Jahre in einem faden Regiekonzept und einem uninspirierten Bühnenbild wieder. Der Inszenierung am Schauspielhaus mangelt es an Raffinesse und sie plätschert als anonyme Nummern-Revue von Evergreens vor sich hin. Es ist dem Können der Akteure geschuldet, dass sie dennoch als leichtfüßiges Unterhaltungspaket das Premierenpublikum zu erobern weiß.
Bourgeoise trifft Bohème, Extravaganz trifft Konventionalismus und egalitär trifft elitär. Zwischen Aufschwung und Absturz, zwischen Konjunkturhoch und Weltwirtschaftskrise kündigen künstlerische Stilbrüche und gesellschaftliche Umwälzungen den Aufbruch in eine tabulose Moderne an, deren kulturelle Errungenschaften bald wieder tabuisiert werden sollen. Es sind die Goldenen Zwanziger und es ist die Zeit von Bertolt Brecht, Marlene Dietrich – und von den Comedian Harmonists. Das Gesangssextett, das sich im Jahre 1927 in der Stubenrauchstr. 47 in Berlin-Friedenau aus den drei Ariern Robert Biberti, Erwin Bootz und Ari Leschnikoff sowie den drei “Nicht-Ariern” Erich A. Collin, Harry Frommermann und Roman Cycowski formierte, erlebte in der vergnügungssüchtigen Hauptstadt mit dem Ende des deutschen Kaisertums seinen kometenhaften Aufstieg – und wenig später seinen jähen Niedergang mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Fünf Sänger und ein Pianist, die einen Traum hatten, die berühmt werden und die Welt mit ihren Liedern unterhalten wollten und am Ende genauso gespalten und zerstritten waren wie die gesamte Nation.
Eine Menge historischer Stoff, den Regisseur Mathias Schönsee da am Düsseldorfer Schauspielhaus auf die Bühne hievt und der für sich genommen schon etwas schwerfällig daherkommt. Wer nun allerdings den faden Beigeschmack einer solch sperrigen Thematik befürchtet, kann unbesorgt sein: Schönsees gut zweieinhalbstündiger Abend stelzt ungelenk um den eigenen historisch-politischen Kontext herum, bleibt distanziert und anonym. Zwar wird eifrig auf die brodelnde Giftküche der Nazis hingewiesen, jedoch nichts vertieft. Der Rassenwahn des Regimes fleddert lose in den Dialogen und verhallt ungehört in dieser doch recht unterkühlten Inszenierung, die zwar alles kommentiert, doch nichts evaluiert und die mit Hitlergruß und Hakenkreuz dem humanitären Drama einer ganzen Epoche beizukommen versucht.
Schönsee legt damit seinen Abend vollkommen in die Hände seines Ensembles – und tut damit vielleicht das einzig Richtige. Benjamin Hoffmann, Moritz von Treuenfels, Dominik Raneburger, Heisam Abbas und Andreas Helgi Schmid servieren musikalische Hochgenüsse vom Feinsten und lassen mit Klassikern wie “Mein kleiner grüner Kaktus” und “Veronika, der Lenz ist da” das legendäre Vokalensemble noch einmal auferstehen. Alle fünf Akteure harmonieren stimmlich hervorragend und arbeiten sich geschmeidig durch die enge Harmonieführung und die sensiblen A-capella-Passagen. Vor allem Hoffmanns glockenklarer Tenor und Abbas‘ erdiger Bass setzen dabei wunderbare Akzente. Danny Exnar am Klavier als Pianist Erwin Bootz (musikalische Einstudierung: Klaus-Lothar Peters) ist hierbei Gold wert und liefert den ganzen Abend über herrlich virtuose, jazzige Live-Musik. Darstellerisch kann vor allem Lutz Wessel überzeugen, der mit erfrischender Wandelbarkeit in Mehrfachrollen – mal als verstimmte Vermieterin und mal als frivoler Conférencier – auftritt. Alles in allem leisten die Akteure hier Großartiges und lassen mit zündendem Wortwitz und intensivem Spiel die Höhen und Tiefen der Comedian Harmonists als schillernden Bilderbogen an uns vorüberziehen, lassen uns teilhaben am Hoffen und Sehnen, an Verbitterung und Verzweiflung, an Triumph und Niederlage der sechs talentierten Musiker.
Dabei kommen sie im Laufe des Abends immer wieder mit dem seltsam strengen, hermetischen Bühnenbild von Dietrich von Grebmer ins Gehege, das auf absoluten Minimalismus setzt und in dem sich nichts so recht entfalten kann. Ohne Attribute, lediglich mit zwei beweglichen Treppenelementen ausgestattet, bleibt der Bühnenraum hölzern und unpersönlich – wie die gesamte Inszenierung selbst.
Unterhaltsam ist das Ganze trotzdem; mit Entertainer-Talent und erstarkender Dynamik holen die Darsteller ihr Publikum auch ohne schmückendes Beiwerk und historische Bezüge ab und sorgen dafür, dass der Abend nach der Pause auch endlich etwas Fahrt aufnimmt. Und vielleicht werden die Comedian Harmonists in Schönsees Inszenierung auch genau zu dem, was sie damals – im pulsierenden Kulturrausch der glitzernden zwanziger Jahre – eigentlich auch waren: ein leuchtendes Symbol des Hedonismus fernab aller staatlichen Unruhen, eine Einladung zur Überschreitung der konservativen Grenzen und eine schnell verglühende Sternschnuppe am politischen Nachthimmel.
Mi, 16.09.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | Premiere |
Fr, 18.09.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Di, 22.09.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
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Do, 24.09.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Mo, 28.09.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Di, 13.10.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Fr, 23.10.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Do, 29.10.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Sa, 31.10.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Mi, 04.11.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Fr, 13.11.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Di, 17.11.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
So, 22.11.2015 18:00 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Mi, 09.12.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Sa, 12.12.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Di, 15.12.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
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