“Möchten Sie mit zu mir kommen und extrem wilden, hemmungslosen Sex mit mir haben?” Das sagt Helena natürlich nicht zu ihrer Kneipenbekanntschaft Bob. Zumindest, wenn man Helenas Version der Geschichte ihres Kennenlernens glauben will. Bob erinnert sich etwas anders an das verregnete Mitsommer-Wochenende in Edinburgh, das die beiden oberflächlich grundverschiedenen, aber dennoch im Grunde genommen recht ähnlichen Mittdreißiger zusammenführte.
Auf einer vergleichsweise großen, fast vollständig in Dunkelheit getauchten Bühne sitzen Bob und Helena nebst ihren Instrumenten auf zwei einsamen Barstühlen und erzählen dem Publikum ihre Story. Oftmals eignen sich kleinere Bühnen besser für diese Art von intimen Zwei-Personen-Stücken, doch in diesem Fall bietet das Setting Spielraum zur meta-philosophischen Interpretation: Wenn die beiden etwas verloren und alleine im großen, dunklen Raum sitzen, dann auch deshalb, weil sie tatsächlich etwas verloren und alleine sind.
Anders als bei anderen Produktionen von “Midsummer” eröffnet das Stück in Düsseldorf direkt mit einem Song: Die melancholische Ballade “Love Will Break Your Heart”, die in der sehnsuchtsvollen Interpretation von Anna Kubin und Michael Kamp fast schon ein wenig an einen Country-Song erinnert, setzt den Auftakt zur Geschichte. Überhaupt werden die Songs in Nele Webers Inszenierung stärker in den Mittelpunkt gerückt und – auch da sie im Gegensatz zu den Sprechtexten im englischen Original dargeboten werden – von der Handlung separiert. Statt handlungstragend zu sein, spiegeln sie eher die Stimmung der jeweiligen Szene wieder. Das funktioniert auch deshalb hervorragend, weil die beiden Akteure auch wunderbare Sänger sind und die Songs nicht nur leben und intensiv interpretieren, sondern eben auch stimmlich tadellos wiedergeben. “Love Will Break Your Heart” wird damit ebenso zum Highlight wie der coole, witzige “Hangover Song” und Helenas zart-trauriges “There Are Only Inches Between Us”. Das kraftvolle E-Gitarren-Arrangement von “The Song of Oblivion” und der dazu gehauchte Staccato-Sprechgesang sind recht gewöhnungsbedürftig, passen allerdings perfekt zur verzechten Nacht und bringen Abwechslung in den balladenlastigen Soundtrack des Stückes.
“Midsummer” ist einerseits voll von kleinen, feinen philosophischen Weisheiten und poetischen Dialog-Zeilen. Auf der anderen Seite ist es aber auch ein streckenweise urkomisches Stück, das den Darstellern ein Gespür für gutes Timing abfordert. Kubin und Kamp spielen sich durch die gesamte Bandbreite der Gefühlswelt ohne jemals an Authentizität einzubüßen. Viele Szenen scheinen improvisiert und fangen eben jene Atmosphäre ein, die entsteht, wenn zwei Menschen gemeinsam eine amüsante Geschichte erzählen, sich aber nicht immer auf die Details einigen können. ‘Nein, das war ganz anders!’ und ‘Gut, dann erzähl’ Du!’ und ‘Jetzt komm doch mal auf den Punkt!’ inklusive. Es wirkt unverkrampft und angenehm echt – gerade so, als würde man zusammen mit Bob und Helena bei einem Glas Wein sitzen und sich ungezwungen unterhalten.
Vielleicht auch um diese Atmosphäre einzufangen – weil Bar-Geschichten nicht zu lange sein dürfen, wenn man das Interesse des Gegenübers aufrecht erhalten will – wurde David Greigs Buch ziemlich zusammengekürzt und in einen 90-minütigen Ein-Akter gepresst. Dass dabei einig witzige Momente aus Bobs und Helenas nächtlichen Abenteuern im Schneideraum bleiben, ist nicht weiter tragisch: Die tanzenden Hummer beispielsweise werden zwar stichwortartig erwähnt, aber die pointierte, humorvolle Anekdote dahinter erfährt das Düsseldorfer Publikum nicht. Auch auf Helena geplatztes Treffen mit ihrem verheirateten Liebhaber verzichtet Nele Weber, ebenso wie auf Bobs Gameshow-artige Introspektive und seine Flucht vor Edinburghs Halbwelt, womit dann doch etwas inhaltliche Substanz verloren geht. Schade ist das gerade auch deshalb, weil das Stück auch ungekürzt keineswegs zu lang ist und die Aufmerksamkeit der Zuschauer nie überstrapaziert.
Dass Helena-Darstellerin Anna Kubin ganz offensichtlich schwanger ist, verwirrt inhaltlich zunächst ein klein wenig, da das Stück ja Helenas vermeintliche Schwangerschaft thematisiert, sich diese aber als Irrtum herausstellt. Wenn Kubin also erklärt, dass “da kein Leben in ihr ist”, dann löst das – in dieser Szene eigentlich eher ungewollte – Erheiterung beim Publikum aus. Die beiden Darsteller überspielen es gekonnt mit ironischem Lächeln – manchmal muss sich die Kunst halt dem echten Leben beugen.
Das recht minimalistische Bühnenbild kommt mit wenigen Requisiten auf karger, dunkler Bühne hervorragend aus. Umso gelungener ist der Effekt, wenn es damit bricht. “Wenn dies eine Szene aus einem Hollywood-Film wäre, dann gäbe es jetzt wenigstens Konfetti!” schluchzt Helena, nachdem sie sich bei der Hochzeit ihrer Schwester bis aufs Blut blamiert hat. Und wenn Helena Konfetti will, dann macht Bob das möglich: Die Bühne explodiert in einem riesigen bunten, schillernden Konfetti-Regen und obendrein gibt’s noch ein kleines Feuerwerk. Ganz großes Kino – und trotzdem so wunderbar selbstironisch und intim, dass da keine Spur von Kitsch zu finden ist.
Do, 25.09.2014 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | Premiere |
Di, 01.09.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Sa, 05.09.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
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So, 13.09.2015 18:00 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Di, 13.10.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
Mo, 19.10.2015 19:30 | Schauspielhaus, Düsseldorf | |
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