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Leistungsdruck in der Schule, erster Sex, Homosexualität, häusliche Gewalt, Missbrauch, Abtreibung, Selbstmord – auf diese Schlagwörter reduziert wirkt “Frühlings Erwachen” wie eine thematisch überfrachtete Vorabend-Soap. Dass die Geschichte nach über 100 Jahren immer noch Alltagsbezug hat und diese thematische Fülle, glaubwürdig dargestellt, kein bisschen lächerlich wirkt, beweist das Junge Staatsmusical. Das Stück passt hervorragend zu den jungen Darstellern, die eine mitreißende und berührende Aufführung auf die Bühne bringen.
Ein schwarzes, schief stehendes Kreuz beherrscht das Bühnenbild von Britta Lammers. Von dort ausgehend zieht sich der Exorzismus-Text von Papst Leo XIII. über die ganze Spielfläche. Das sieht zweifellos gut aus, hat aber wenig Bezug zum Stück, in dem es zwar um kirchlich geprägte Moralvorstellungen um 1900 geht, die Kirche selbst spielt dabei aber nur eine sehr untergeordnete Rolle. Man kann zwar eine Verbindung zur Bekämpfung des “Dämons Verlangen” in den pubertierenden Jugendlichen herstellen, aber so richtig naheliegend ist das nicht. Vom Kreuz zieht sich eine abschüssige Rampe nach vorn, an den Seiten zwei kleine Podeste, die parallel verlaufende Szenen und schnelle Ortswechsel ermöglichen, rechts eine Spielplatz-Schaukel. Der wenige Platz, den die Wartburg bietet, wird hier auf einfache und effektive Weise genutzt. Die von Heike Korn gut ausgewählten Jahrhundertwende-Kostüme bilden zu dem düsteren Bild gute Gegensätze. Nur Melchior Gabors Schuhe sind zu modern. Sicher, ein kleines Detail, aber in einem kleinen Theater, in dem das Publikum quasi auf der Bühne sitzt, fällt so etwas auf.
Regisseurin Iris Limbarth vertraut dem Stück und modernisiert nicht weiter als es die Musik ohnehin tut. Mit sicherer Hand verbindet sie eine gewisse Leichtigkeit mit der tragischen Handlung und führt ihr Ensemble besonders in den intimen Szenen zu mehr als beachtlichen darstellerischen Leistungen. Ihre Choreographien sind rhythmisch und kraftvoll. Leider legt sie die Erwachsenen-Rollen zu grotesk und karikaturenhaft an. Felicitas Geipel und Peter Emig, die alle diese Rollen übernehmen, sind nur als Mutter Gabor und Vater Stiefel natürlich, die anderen Figuren wirken gewollt aufgesetzt. Nichtsdestotrotz hat Felicias Geipel als Wendlas Mutter am Ende mit der Reprise von “Mama” eine sehr ergreifende Szene. Peter Emig versucht, zwischen seinen verschiedenen Rollen durch gekonnt variable Körpersprache zu differieren – ein Effekt, der jedoch durch seine dauerhaft gleichbleibende Sprachmelodie zunichte gemacht wird.
Die jungen Darstellerinnen agieren von Anfang an deutlich natürlicher als ihre männlichen Kollegen. Letztere müssen sich, vielleicht auch nervositätsbedingt, erst ein bisschen warmlaufen, bis sie eine gewisse Steifheit ablegen. Das Ensemble funktioniert im Chor (besonders bei “Das Lied vom Ende des Sommers”) und in den kleinen oder größeren Solo-Parts als spielfreudige Einheit. Johannes Meurer und Dwayne Gilbert Besier können mit einer ungezwungenen schwulen Liebesszene auf sich aufmerksam machen. Mariella Köhlert punktet als von ihren Eltern rausgeworfene und jetzt bei Künstlern lebende Ilse mit schöner Stimme und lebhaftem Spiel. David Rothe (als Moritz Stiefel, der an seiner Nichtversetzung und dem Unverständnis seines Vaters zerbricht) wirkt in der ersten Hälfte so, als traute er sich nicht richtig, in seiner Rolle aufzugehen. Gesang und Darstellung sind ein bisschen gehemmt. Als hätte er in der Pause einen Schalter umgelegt, zeigt er in der zweiten Hälfte was in ihm steckt, geht aus sich heraus und hat viel mehr Präsenz.
Rainer Maaß schafft glaubhaft den Wechsel vom aufgeklärten, aber etwas verträumten Mädchenschwarm aus liberaler Familie zum aufsässigen, wütenden Melchior. Er hat die passende Stimme für diese Rolle, egal ob in den Balladen oder beim aggressiven “Im Arsch”. Dass er um einiges älter ist als sein Bühnencharakter und die meisten seiner Mitspieler, fällt in den Szenen mit Wendla besonders auf. Die mädchenhaft-kindliche Denia Gilberg, mit ihren 18 Jahren nahe am Originalalter ihrer Figur, ist als Wendla die Überraschung des Abends. Sie betritt zu Beginn allein die Bühne, um “Mama” zu singen, und ihre Präsenz ist sofort spürbar. Sie meistert die schwierige Rolle des naiven, neugierigen Mädchens, das unverhofft schwanger wird und gar nicht versteht, was mit ihr vorgeht. Ihre Stimme ist angenehm leicht, ihr ausdrucksstarkes Spiel berührt – eine sehr professionelle Darbietung in ihrer ersten großen Rolle beim Jungen Staatsmusical. Maaß und Gilberg harmonieren in ihren intensiven Szenen – die langsame gegenseitige Öffnung, die Neugier auf den Anderen und die körperliche Annäherung – so gut, dass man über den Altersunterschied hinwegsieht.
Die auf sechs Musiker verkleinerte Band (im Original acht) begleitet die Songs temporeich und routiniert vom Rang aus. Die Textverständlichkeit, sonst immer ein Problem in der Wartburg, ist erstaunlich gut.
Das Junge Staatsmusical hält sein hohes Niveau und hat wieder eine sehr sehenswerte Produktion auf dem Spielplan.
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KREATIVTEAM |
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Regie / Choreografie | Iris Limbarth |
Musikalische Leitung | Frank Bangert |
Bühne | Britta Lammers |
Kostüme | Heike Korn |
Gesangseinstudierung | Ulrich Bareiss |
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CAST (AKTUELL) |
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Wendla | Denia Gilberg Lisa Krämer | |||
Melchior | Rainer Maaß Christopher Hastrich | |||
Moritz | David Rothe Norman Hofmann | |||
Martha | Josefine Deusch | |||
Ilse | Mariella Köhlert Viktoria Reese | |||
Anna | Leonie Gossel Carolin Kascha | |||
Thea | Viktoria Reese Mariella Köhlert | |||
Hanschen / Dieter | Johannes Meurer | |||
Ernst / Rupert | Dwayne Gilbert Besier | |||
Otto / Albrecht | Johannes Kastl | |||
Georg / Reinhold | Norman Hofmann David Rothe | |||
Erwachsene Frau | Felicitas Geipel | |||
Erwachsener Mann | Peter Emig | |||
Band | ||||
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Keyboards | Frank Bangert Ulrich Bareiss | |||
Schlagzeug | Holger Dietz | |||
Bass | Hansi Maloleppsy | |||
Gitarre | Patrick Hoss | |||
Trompete | Joachim Braun | |||
Reeds | Stephan Völker |
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GALERIE |
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TERMINE |
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