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KURZBEWERTUNG |
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Sehr löblich, wenn ein Stadttheater vermeintlich sichere Spielplanhäfen verlässt und stattdessen mit der deutschen Erstaufführung eines Broadway-Musicals zu neuen Ufern aufbricht. Doch auch Musical-Spezialistin Iris Limbarth kann “The Pirate Queen” mit guten Darstellern in einer werkgetreuen Inszenierung nicht retten. Dafür ist insbesondere die Textvorlage zu dürftig.
Glückseligkeit beim irischen Clan. Umringt von ihren Stammesbrüdern und -schwestern, wird Clanoberhaupt Grace samt ihrer endlich vereinten Patchwork-Familie gefeiert. Der Weg bis in dieses Happy End von “The Pirate Queen” ist allerdings steinig und ziemlich holperig. Das liegt vor allem an dem schwachen Buch mit seiner hanebüchenen Groschenroman-Dramaturgie. Hierfür hat das Autoren-Trio Alain Boublil, Claude-Michel Schönberg und Richard Maltby jr. die biografisch angehauchte Romanvorlage von Morgan Llywelyn über die heute noch in Irland als Heldin verehrte Grania O’Malley für die Bühne adaptiert. In diesem Mantel- und Degen-Epos kämpfen zwei starke Frauenfiguren in einer männerdominierten Welt um Anerkennung: Das ist zum einen die junge Elisabeth, die ihrem Vater Heinrich VIII. auf dem englischen Königsthron nachfolgt und von ihren Hofschranzen zunächst nur belächelt wird. Ihr gegenüber steht die Irin Grace, die sich zur Kapitänin und Stammesführerin emporkämpft. Gleichzeitig setzt sie sich für ein Ende der Unterdrückung ihres Volkes durch die englische Krone ein und sucht ihr privates Glück.
Dabei scheinen die Würfel in Sachen Männerwahl gefallen zu sein. Bereits in der ersten Szene beschwören Grace und ihre Jugendliebe Tiernan ihre gemeinsame Zuneigung und knüpfen ein Tau um ihre Hände, das die Ewigkeit ihrer Beziehung symbolisieren soll. Merkwürdig, dass nur wenig später die selbstbewusst und rebellisch gezeichnete junge Frau ohne mit der Wimper zu zucken dem Wunsch des Vaters entspricht und den Sohn eines anderen Stammesführers ehelicht. Obwohl sie diesen Ehemann bereits mit der Hochzeit offen ablehnt, gebärt Grace zu Beginn des zweiten Aktes auf offener See seinen Sohn, um im Anschluss an diese Niederkunft ihren ohne triftigen Grund noch auf dem Schiff weilenden Ex Tiernan im Fechtkampf gegen enternde englische Truppen zu unterstützen.
Wie ein roter Faden ziehen sich weitere dramaturgisch unlogische Wendungen durch das gesamte Buch. So bleibt zum Beispiel völlig unklar, warum Tiernan erst nach sieben Jahren auf die Idee kommt, sich für die zwischenzeitlich in einem Londoner Kerker inhaftierte Grace austauschen zu lassen. Und aus welcher Laune heraus empfängt die englische Königin ihre nichtadelige, irische Erzfeindin zu einem Vieraugengespräch? Immerhin beenden die beiden Frauen darin den seit Jahrzehnten schwelenden Irlandkonflikt. Wenn politische Krisen doch immer so einfach zu lösen wären…
Atmosphärisch dichter sind Claude-Michel Schönbergs Kompositionen, die Graces irische Welt mit volkstümlich anmutenden Weisen zeichnen, während die Songs am steifen, englischen Hof wie durchkomponierte Rezitative und Arien aus Barockopern wirken. Schönberg charakterisiert dabei jede der Frauen durch ein eigenes Instrument: Grace durch die Whistle (irische Flöte), Elisabeth durch das Spinett. Den musikalischen Höhepunkt bildet die Kerkerszene, in der beide Frauen in einem Duett ihre recht ähnlichen Schicksale besingen (“Sie hat so viel”). Die Partitur strotzt vor diesen recht schwülstig wirkenden Balladen, die ihre Verwandtschaft zu Songs aus Schönbergs beiden Hit-Musicals “Miss Saigon” und “Les Misérables” nicht verleugnen können, auch wenn sie nicht wirklich im Gehörgang hängen bleiben. Den Instrumentalpassagen, die als Untermalung für die vielen Kampfszenen dienen, fehlen Drive und Dramatik. Sie wirken dadurch eher langweilig und passen so gar nicht zu den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Iren und englischen Truppen, die dazu auf der Bühne zu sehen sind.
Iris Limbarth, die Regisseurin dieser deutschen Erstaufführung (Übersetzung: Nina Schneider), erzählt die Abenteuergeschichte brav, schlicht und ohne jegliche Mätzchen. Weil sie die Mitglieder des Opernchores weniger als Individuen, sondern als auf ihre zugewiesenen Plätze strömende Masse führt, wirkt Limbarths Inszenierung oft zu statisch. Ein wahrer Graus sind die Kampfszenen in der Choreografie von Patrick Stanke, in denen die Choristen gemeinsam mit den Mitgliedern der Ballettkompagnie auf sechs in Plastikpanzern gewandete Statisten dilettantisch eindreschen dürfen.
Besser gelingen die Tanzszenen, in denen Irish Dance-Spezialistin Natalie Westerdale dem gesamten Ensemble gehörig Beine macht und immer wieder originelle Requisiten (Ruder, Besen) einbezieht. Die irischen Stepptänze haben zwar kein Riverdance-Niveau, sind aber für ein Hausensemble eines deutschen Stadttheaters beachtlich gut ausgeführt. Besonders in diesen volkstümlichen Szenen lassen die speziell für die Produktion zusammengestellten 17 Musiker des Loh-Orchesters Sonderhausen aufhorchen. Unter dem Dirigat von Stefan Diederich kommen auch spezielle, sonst eher nicht zum Repertoire eines sinfonischen Klangkörpers gehörende Instrumente wie ein irischer Dudelsack und die bereits erwähnte Pipe zum Einsatz.
Für das eher düstere Musical mit vielen Szenenwechseln hat Wolfgang Kurima Rauschning ein zweckdienliches, leicht wandelbares Bühnenbild entwickelt, in dessen Vordergrund auf dem fast komplett überbauten Orchestergraben zwei stilisierte, weiße Segel aus Holz stehen. Sie verweisen nicht nur auf die maritimen Spielorte an Bord, sondern dienen auch als Gefängnisgitter. Ein wahrer Hingucker ist die Beerdigungsszene im Fackelschein unterm Sternenhimmel vor der Pause, bei dem ein kleines Holzboot mit den sterblichen Überresten des verstobenen Clanführers entzündet wird. Anja Schulz-Hentrichs Kostüme sind in Irland passend zurückhaltend und volkstümlich, in den höfischen Szenen in London hingegen funkelnd-prächtig. In der eher einfallslosen Beleuchtung (Mario Kofend, Uwe Niesig), bei der Scheinwerfer auch penetrant in den Zuschauerraum strahlen, besteht Verbesserungspotenzial. Gleiches gilt für die Tonabteilung. In der besuchten dritten Vorstellung sind die Protagonisten in der ersten Szene kaum zu hören, danach wirkt der Sound dumpf und breiig. Nach der Pause entspannt sich die akustische Lage allerdings ein wenig.
Als Grace hat Corinna Ellwanger den Löwenanteil der Songs zu singen. Dies gelingt ihr mit dem schönen Musicalsopran bravourös, allerdings passt ihr Stimmtyp nicht optimal zu der kämpferisch-resoluten Anführerin des irischen Widerstands. Ellwanger hört sich oft einfach zu lieb und nett an. An ihrer Seite wirkt Patrick Stanke (Tiernan) darstellerisch vorlagenbedingt etwas blass. Seine Rolle gibt nicht viel her, auch entwickelt sich die Figur nicht weiter. Gesanglich ist Stanke solistisch großartig (“Ich bleib hier”) und in schmachtenden Duetten wie “Heute Nacht” mit Ellwanger eine wirklich gute Wahl. Beide Stimmen harmonieren sehr gut miteinander.
Gleich mit seinem schwungvollen Auftrittssong “Ich bin ein Kerl” prahlt Jan Rekeszus (Donal) mit gockelhaftem Macho-Gehabe, das der spätere ungeliebte Ehemann von Grace jedoch nur aufgesetzt spielt. In Wirklichkeit ist Donal ein armes Würstchen, das die Mutter seines Sohnes im zweiten Akt feige an die britische Krone verrät. Rekeszus zeigt beide Facetten sehr glaubhaft, singt mit schönem Baritenor und tanzt zackig-souverän.
Aus dem Nordhauser Musiktheater-Ensemble sind rollendeckend viele kleine Ensemble-Rollen besetzt, zwei Charatere am englischen Hof bleiben jedoch nachhaltig in Erinnerung: Désirée Brodka zeichnet Elisabeth I. zunächst als unsichere, junge Frau mit langen blonden Haaren, die sich immer mehr in eine würdevolle Herrscherfigur mit Herz in dem allseits bekannten “Virgin Queen”-Outfit verwandelt. Gesanglich besticht sie durch einen feinen Sopran, bei dem die Koloraturen bis in höchste Lage perfekt sitzen. Marian Kalus protzt als intriganter Königin-Berater Lord Richard Bingham mit großer Stimme in einem recht penetranten Dauer-Forte. Etwas mehr Zurückhaltung sollte ein ausgebildeter Opernsänger in einer Musical-Produktion schon zeigen.
Zum Schlussapplaus ist im Nordhauser Zuschauerraum die Begeisterung für das am Broadway nach nur 85 Vorstellungen gekenterte Musical groß. Ob das allerdings für eine feste Verankerung im deutschen Musical-Repertoire reicht, ist zu bezweifeln. Für ein wirkliches Happy End benötigt “The Pirate Queen” vor allem eine Generalsanierung des Buches.
Buch von Alain Boublil, Claude-Michel Schönberg und Richard Maltby jr.
Nach dem Roman „Grania – She King Of The Irish Seas” von Morgan Llywelyn Musik von Claude-Michel Schönberg Gesangstexte von Alain Boublil, Richard Maltby jr. und John Dempsey
Deutsch von Nina Schneider
Orchestration von Julian Kelly
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Stefan Diederich |
Inszenierung und Choreographie | Iris Limbarth |
Bühne | Wolfgang Kurima Rauschning |
Kostüme | Anja Schulz-Hentrich |
Irish Dance | Natalie Westerdale |
Kampfchoreografie | Patrick Stanke |
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CAST (AKTUELL) |
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Grace (Grania) O'Malley | Corinna Ellwanger Nina Links | |||
Königin Elisabeth I | Leonor Amaral | |||
Dubhdara | Thomas Kohl | |||
Tiernan | Jan-Philipp Rekeszus | |||
Lord Richard Bingham | Marian Kalus | |||
Der Chef des O'Flaherty-Clans | Matthias Mitteldorf | |||
Donal, sein Sohn und Erbe | David Johnson | |||
Evleen, eine alte Frau, Graces' Amme und Älteste des O'Malley-Clans | Anja Daniela Wagner | |||
Majella | Anna Baranowska | |||
Eine O'Malley, Hofdame, Barmädchen | Nina Links | |||
Kinder | Elias Gothe Felix Schmidt Felix Tietje | |||
Opernchor, Ballettkompanie und Statisterie des Theaters Nordhausen Loh-Orchester Sondershausen | ||||
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Loh-Orchester Sonderhausen Ensemble "The Pirate Queen" |
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CAST (HISTORY) |
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Tiernan | Patrick Stanke |
Königin Elisabeth I | Désirée Brodka Katharina Boschmann |
Donal | Jan-Philipp Rekeszus |
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GALERIE |
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TERMINE |
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keine aktuellen Termine |
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TERMINE (HISTORY) |
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