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MuKo-Chefregisseur Cusch Jung inszeniert den Bram Stoker-Klassiker als düsteres Horror-Drama in bildgewaltiger, detailverliebter Optik. Die starke Besetzung – allen voran Lisa Habermann als Mina – und ein wuchtiges Orchester sorgen für musikalische Highlights.
In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich das Vampirbild stark gewandelt; dafür sorgten zahlreiche literarische und filmische Abwandlungen des alten Mythos. Der Vampir von heute ist optisch jung und attraktiv, verführt eher als dass er zum Fürchten einlädt, und glitzert tendenziell eher im Sonnenlicht anstatt Feuer zu fangen. So ist es eine wohltuende Abwechslung, in Cusch Jungs Inszenierung der Wildhorn’schen “Dracula”-Adaption einen Vampir der alten Schule zu erleben.
Dank konsequentem Maskenbild und Kostümwahl erinnert Andreas Wolfram in der Titelrolle optisch an die Horrorfilme der 30er Jahre. Auch die Charakterzeichnung geht in diese Richtung: Dieser Dracula ist monströs und furchteinflößend. Die Gefahr, die von ihm ausgeht, wird zu keinem Zeitpunkt romantisch verklärt.
Unterstützt wird dieser Interpretationsansatz zusätzlich durch ein Bühnenbild, das sowohl in seiner Grundstimmung als auch der Farbgebung gebührend finster und drückend daherkommt. In nahezu jeder Szene liegt ein Hauch von Unheil in der Luft: von Draculas barockem Bett, in dem der Hausherr und seine Vampirinnen über Jonathan herfallen, über die stürmisch-gewittrigen Wetterprojektionen bis hin zur Gruft, in der Lucy beigesetzt wird. Dabei arbeitet Bühnenbildnerin Karin Fritz mit raffinierten Details. So etwa verschwimmt der übergroße Totenschädel, der die Gruft schmückt, ganz langsam zu Draculas Gesicht. Um die Omnipräsenz des Vampirs zu verdeutlichen, werden in vielen Szenen Doppelgänger eingesetzt. Es entsteht die Illusion, dass Dracula plötzlich ins Nichts verschwindet und zeitgleich an einer anderen Stelle wieder auftaucht.
Besonders beeindruckend ist “Je länger ich lebe” in Szene gesetzt. Bei Draculas melancholisch-dramatischem Solo ist der Vampirfürst allein auf dunkler Bühne, umrandet von riesigen Portraits von Elisabetha und Mina – der Frau, wegen der er einst zum Vampir wurde, und die, um dessen Liebe er jetzt kämpft. Am Ende des Songs zerfließen die Portraits symbolträchtig und lösen sich vor Draculas Augen auf.
Optisch ist die Inszenierung nicht nur schön anzusehen, sondern auch einfallsreich und wunderbar stimmig. Der Punkt, in dem der Regieansatz an seine Grenzen stößt, ist die Liebesgeschichte zwischen Mina und Dracula. Die Faszination, die Mina auf den Blutsauger ausübt, erklärt ein Prolog, der an den Beginn der 1992er Dracula Verfilmung von Francis Ford Coppola erinnert. Doch angesichts der recht grausamen und beängstigenden Rolleninterpretation Draculas, der mehr droht als er umwirbt, bleiben Minas widersprüchliche Gefühle für ihn fragwürdig. In einem Moment schreckt sie verängstigt und angewidert zurück – im nächsten singt sie “Lass mich dich nicht lieben” und hadert mit ihrem Begehren. Die Antwort, woher dieser Sinneswandel kommt – ebenso wie der uncharakteristisch selbstlose Opfergang Draculas ganz am Ende – bleibt die Inszenierung schuldig.
Dass das Stück, das schließlich auf eben dieser Anziehung aufbaut, trotzdem funktioniert, ist zumindest auch zu einem Großteil der starken Besetzung zu verdanken. Besonders Lisa Habermann liefert als Mina eine überwältigende Leistung. Mit warmer, wunderbar klarer Stimme interpretiert sie ihre Soli – immer leidenschaftlich, mal verzweifelt, mal kämpferisch. Auch wenn ihr die Inszenierung wenig Grundlagen dafür liefert, kann sie den Strudel der Gefühle, der Mina mitreißt, emotional authentisch und einfühlsam darstellen. Ihr Bühnenpartner Andreas Wolframs ist als Dracula überaus charismatisch und angemessen bedrohlich. Er ist mit seiner harten, recht tiefen Stimme eine ungewöhnliche Besetzung für die Rolle, doch im Zusammenspiel mit der veränderten Charakterzeichnung fügt sich das gut ins Gesamtbild ein.
Ungewöhnlich auch Fabian Egli als Van Helsing, der deutlich unter dem herkömmlichen Altersdurchschnitt des Vampirjägers liegt. Doch auch hier erweist sich die Besetzung als Glücksgriff, ebenso wie bei Jeffrey Krueger (Jonathan). Beide holen darstellerisch viel als ihren Rollen heraus und trumpfen gesanglich mit “Roseanne” bzw. “Die Flamme löschen, die für Freiheit brennt” auf. Einen der musikalischen Höhepunkte des Stücks bietet die von Van Helsing angeführte, kämpferisch-dynamische Chornummer “In dunkler Nacht”.
Auch Anna Preckeler (Lucy) kann Akzente setzten und das Stück im ersten Akt mit einigen wenigen heiteren Momente auflockern. Fragwürdig dagegen, welche Intention dahinter stand, die Rolle des Renfield mit einer Frau zu besetzen. Sabine Töpfer macht ihre Sache prinzipiell gut und wenn Renfield in dieser Inszenierung weiblich wäre, würde dem auch nichts widersprechen. Stattdessen spielt Töpfer einen männlichen Renfield – ohne jeglichen ersichtlichen dramaturgischen Grund für den Geschlechtermix.
Das stolze 27 Musiker starke Orchester kitzelt das Maximum aus Frank Wildhorns Partitur heraus und sorgt für satten Klang aus dem Orchestergraben. Nur die Tontechnik leistet sich einige Schnitzer – gerade in Hinblick auf die musikalische und gesangliche Qualität der Aufführung besonders ärgerlich, wenn ganze Gesangspassagen akustisch untergehen.
Trotz einiger kleinerer Schwächen und Ungereimtheiten ist “Dracula” an der Musikalischen Komödie insgesamt eine runde Sache. Nach “Jekyll & Hyde” und “Der Graf von Monte Christo” beweist Cusch Jung erneut, dass er ein gutes Händchen für Wildhorn-Inszenierungen hat und mit klaren, konsequenten Regiekonzepten neue Wege zu gehen vermag, ohne das Material zu stark zu verfremden.
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung | Cusch Jung |
Musikalische Leitung | Christoph-Johannes Eichhorn |
Choreografie | Mirko Mahr |
Bühne, Kostüme | Karin Fritz |
Chor | Mathias Drechsler |
Dramaturgie | Marita Müller |
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CAST (AKTUELL) |
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Dracula | Andreas Wolfram Fabian Egli |
Mina | Lisa Habermann |
Lucy | Anna Preckeler Hanna Mall |
Van Helsing | Fabian Egli Cusch Jung |
Jonathan | Jeffery Krueger |
Renfield | Sabine Töpfer |
Arthur | Patrick Rohbeck Sven Prüwer |
Dr. Seward | Andreas Rainer |
Quinsey | Milko Milev |
Vampirinnen | Linda Rietdorff Nedime Ostheimer Katrin Merkl Nathalie Parsa |
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GALERIE |
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TERMINE |
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