Abseits vom kommerziellen Mainstream der Großproduktionen setzt die “Stammzellformation” auf neue, witzige Kammermusicals. Mit “Alma und das Genie” unterstreicht die Truppe dies nachhaltig. Der Abend sprüht vor (Wort-)Witz und musikalischer Vielfalt, die Nini Stadlmann (Alma) und Tom van Hasselt (Almas Genies und Pianist) genial umsetzen. Einziger Wehrmutstropfen: Die vorgestellte, ohne szenische Umsetzung und Tanz auskommende Fassung ist mehr ein musikkabarettistischer Abend als eine ausgereifte Musicalaufführung.
Vier Holzbuchstaben stehen im Lichtkegel auf dem Klavier: zwei “A” und je ein “L” und ein “M”. Im Laufe des Abends werden sie zu immer neuen Worten gruppiert: etwa zum italienischen Wort für “die Böse” oder zum für sein Spucken bekanntes, in den Anden lebendes Tier. Vor allem aber zum Vornamen der Protagonistin, die auf einem Barhocker neben dem Piano sitzt: Alma, deren Nachname sich aus dem ihrer beiden bekannten Ehemänner Gustav Mahler und Franz Werfel zusammensetzt. Da Alma auf Latein auch für “die Mehrende” steht, sammelt diese Frau weiter Männer für ihr hemmungsloses Liebesleben ein. Neben großen Namen wie dem Komponisten Alexander Zemlinsky, dem Architekten Walter Gropius oder dem Maler Oskar Kokoschka auch einen Priester und einen auf Insekten spezialisierten Naturforscher.
Tom van Hasselt und Nini Stadlmann erzählen in ihrem biografischen Musical das Leben dieser Femme Fatale nach, indem sie einzelne Stationen als mit Songs untersetzte Plauderei von Alma streifen. Als die Zeitebenen durchbrechende Klammer dient dabei die Figur des Autors, der Alma am Klavier begleitet und sich danach sehnt, wie seine zahllosen historischen Vorbilder von dieser Muse geküsst zu werden. Denn Alma versteht sich als Triebfeder ihrer ursächlich fürs Bett gesammelten Genies.
Gleichzeitig arbeitet das Stück auch ihre Unzufriedenheit mit diesem selbst gewählten Los heraus. Von der früh an den Nagel gehängten Komponistinnen-Laufbahn ist Alma nichts geblieben. Sie hadert damit, dass von ihr nichts Bleibendes existiert und sehnt sich nach einem Denkmal, so wie es für ihren Vater im Wiener Stadtpark steht. Beim Song “Ich weiß nicht, wie man Statuen liebt”, der bitteren Lebensbeichte einer nach außen hin so glamourösen wie öffentlichkeitsgierigen Frau, hält das ansonsten frech-fröhliche Stück unerwartet inne. Ein Gänsehautmoment, in dem Nini Stadlmann facettenreich das gebrochene Innere dieser bis dahin so dominanten Diva zum Vorschein bringt.
In der vorgestellten Form fehlt dem Stück eine szenische Umsetzung: Nini Stadlmann wirkt geradezu gefangen auf ihrem Barhocker. So bleibt “Alma und das Genie” hier mehr ein musikkabarettistischer Abend als ein Musical. Dafür aber ein brillanter! Das Stück lebt vom famosen, überraschenden Spiel mit Worten und Tom van Hasselts abwechslungsreicher, ohrwurmtauglicher Partitur, die vom Kinderlied über Walzer, Samba und Gospel bis zur großen, melodiösen Ballade reicht. Wer wagt sich an eine Umsetzung im größeren Rahmen? Dieser Geniestreich hat es auf jeden Fall verdient.
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