Rasmus Borkowski, Bettina Mönch © Klaus Lefebvre
Rasmus Borkowski, Bettina Mönch © Klaus Lefebvre

Cabaret (2015 - 2016)
Festspiele, Bad Hersfeld

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“Draußen ist es kalt, aber hier drinnen ist es heiß” singt der Conférencier zu Beginn des bekannten Musicals um den Kit-Kat-Club in Berlin zur Zeit der ausklingenden Weimarer Republik. Bei der Premiere an einem kühlen Sommerabend erscheinen die Besetzung wunderschön, die Bühne wunderschön und das Orchester wunderschön. Die Qualität der Inszenierung von Gil Mehmert haucht dem frierenden Publikum trotz des aufkeimenden Nationalsozialismus auf der Bühne Wärme ein.

Als neuer Intendant der Bad Hersfelder Festspiele setzt Dieter Wedel den dortigen Trend der Klassiker fort und zeigt mit “Cabaret” von John Kander und Fred Ebb aus dem Jahr 1966 ein sehr häufig gespieltes Musical. Das Stück war in der Stiftsruine bereits 1995 und 1996 zu sehen. Wedel engagierte bekannte Gesichter in der Darstellerriege und im Kreativ-Team.

Bettina Mönch als idealbesetzte Sally Bowles mit kraftvollem, klarem Belt und der exzellente Rasmus Borkowski als Clifford Bradshaw verkörpern Ihre Parts glamourös. Mit seinem intensiven Spiel und seiner angenehmen Stimme gelingt es Borkowski, der ruhigen Rolle des Cliff mehr Tiefgang zu verleihen als viele seiner Rollenvorgänger. Er ist der Ruhepol zur extravaganten Sally, deren Verletzlichkeit hinter ihrer vergnügungssüchtigen Fassade von Mönch sehr gut herausspielt wird. Bei ihren vier Solo-Nummern erzeugt sie jeweils Gänsehautstimmung.

Bei den Rollen von Fräulein Schneider und Herrn Schulz wurde der Fokus auf das Schauspiel gelegt. Judy Winter und Helmut Baumann lassen die beiden liebevoll miteinander umgehen und geben den Figuren gelebte Zuneigung und innere Wärme. Das Zerbrechen Ihrer späten, kurzen Liebe stellen sie anrührend und ergreifend dar; vor allem kurz nach ihrer Trennung schaffen es beide ihre Gefühle zueinander überzeugend auf die Bühne zu bringen. Durch Winters Solo „Wie geht’s weiter” wird Ihr Schmerz stimmlich und körperlich nun fast schon spür- und sichtbar. Helmut Baumann gibt daneben einen liebenswerten Herrn Schulz mit dem Herz am rechten Fleck und den Höflichkeiten in jedem rechten Moment. Damit spielen sich beide mit ihren Nebenrollen nahezu in den Vordergrund.

Der Part des Conférenciers wird auch in dieser Inszenierung – so wie bereits bei der deutschsprachigen Erstaufführung 1970 in Wien – von einer Frau übernommen. Damals war es Burgschauspielerin Blanche Aubry; in ihrem fünften Sommer in Bad Hersfeld steht Helen Schneider in dieser Erzählerrolle auf der Bühne. Sie ist ein zartes, blasses und um die Augen stark pink-geschminktes Wesen mit knallroten Lippen, Pagenschnitt, Anzug und Strumpfhalter. Dazu besticht sie durch ihre herausragende, variable Stimme und ihr präsentes, akzentuiertes Spiel. Mit Mehmert hat sie einen ähnlichen Rollenansatz bereits bei “Der Ghetto Swinger” erarbeitet und nun perfektioniert.

Schon ihr Auftakt aus dem Publikum heraus bei der Eröffnungsnummer “Willkommen, Bienvenue, Welcome” setzt Akzente. Mit Hilfe von übergroßen weißen Handschuhen, die sie an schwarzen langen Stöcken durch die Luft kreisen lässt, dirigiert sie innerhalb des Stückes immer wieder nahezu clownesk das Ensemble und spielt andeutungsweise den riesigen Flügel, der den Boden des Kit-Kat-Clubs bildet. Dessen riesige Tasten dienen neben dem Interieur des Clubs ebenfalls als Ablage der Obstkisten im Laden von Herrn Schulz. Insgesamt ist der Flügel und somit die Bühne des Kit-Kat-Clubs schräg und bildet damit ein erstes Anzeichen der Schieflage der Gesellschaft zu jener Zeit.

Heike Meixners auf den schiefen Flügel aufgesetzte dreistöckige Drehbühne ist ein Highlight der Aufführung. Die Bühne – eine Art Karussell des Lebens – wird durch das Ensemble bewegt und schafft schnell den Wechsel zu den verschiedenen Spielorten wie die Pension Fräulein Schneiders, den Kit-Kat-Club oder den Obstladen von Herrn Schulz. Über allem ist in einzelnen, großen Leuchtbuchstaben der Schriftzug “Berlin” zu sehen, der Ort der Handlung. Ein begehbarer Steg vor den sichtbaren Musikern im flachen Graben direkt vor der ersten Zuschauerreihe schafft immer wieder eine große Nähe zum Publikum.

Es ist herrlich, dem gut aufgelegten 19-köpfigen Orchester unter der versierten Leitung von Christoph Wohlleben zu lauschen. Die Musiker intonieren die fabelhaften Melodien Kanders mit den vielen Ohrwürmern wunderbar und bereiten so Musikhochgenuss. Der gut ausgesteuerte Sound im perfekten Zusammenspiel aus Stimmen und Orchester ist ausgezeichnet, so dass die Klänge die Stiftsruine wohlklingend ausfüllen.

In Gil Mehmerts straffer Inszenierung ist die aufkommende Bedrohung durch die Nazis spürbar. Gemäß den Worten “Leben und leben lassen” verschwimmen die Geschlechterrollen in dieser Produktion immer wieder. Dies kommt zusätzlich in den anspruchsvollen Choreografien von Melissa King und den aufwändigen, stilvollen Kostümen von Falk Bauer heraus, bei denen die Tänzer zum Teil einen im schwarzen Frack gekleideten Mann und zum anderen Teil eine Frau im weißen, zeittypischen Kleid in einer Person darstellen. Die kurzhaarige, große Sally zieht beim Song “Einmalig himmlisch” Cliffs Kleidung an, dessen Bisexualität am Anfang direkt angesprochen wird. Alles zusammen schafft dies einen deutlichen Bezug zu aktuellen Themen der Gegenwart wie Homo-Ehe oder Frauenquote.

Am Ende des Stückes hat Cliff bei seiner Fahrt zurück in die USA endlich den Stoff für seinen Roman zusammen: Er schreibt über seine Erfahrungen in Berlin und lässt die Handlung noch einmal Revue passieren. Der Conférencier schließt die Show mit der Frage “Wo sind ihre Sorgen jetzt? Vergessen!”. Trotz so viel Schmerz auf der Bühne und trotz des kalten Sommerabends ist dem Publikum nun dank so einer glänzenden Umsetzung des Klassikers richtig warm ums Herz geworden.

 
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KREATIVTEAM
MusikJohn Kander
TexteFred Ebb
BuchJoe Masteroff
Deutsche ÜbersetzungRobert Gilbert
InszenierungGil Mehmert
Co-RegieErik Petersen
Musikalische LeitungChristoph Wohlleben
ChoreographieMelissa King
BühneHeike Meixner
KostümeFalk Bauer
SoundJörg Grünsfelder
LichtUlrich Schneider
 
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CAST (AKTUELL)
ConférencierHelen Schneider
Sally BowlesBettina Mönch
Cliff BradshawRasmus Borkowski
Frl. SchneiderKathrin Ackermann
Herr SchultzHelmut Baumann
Ernst LudwigBjörn Bonn
Frl. KostJessica Kessler
MaxOliver Morschel
PiccoloMatthias Trattner
Kit-Kat-GirlsYael de Vries
Yara Hassan
Nicky Milford
Eva Zamostny
Jane Reynolds
Kit-Kat-BoysTobias Brönner
Ben Cox
Luke Giacomin
Michael B. Sattler
 
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CAST (HISTORY)
Frl. SchneiderJudy Winter
Kit-Kat-GirlsVera Weichel
Kit-Kat-BoysAdrian Hochstrasser
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Fr, 19.06.2015 21:00Festspiele, Bad HersfeldPremiere
Sa, 20.06.2015 21:00Festspiele, Bad Hersfeld
So, 21.06.2015 21:00Festspiele, Bad Hersfeld
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