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Stephen Sondheims “Assassins” ist keine leichte Kost – weder inhaltlich, noch musikalisch. Der Londoner Revival-Produktion von Jamie Lloyd gelingt es trotzdem, das Stück mit starken Bildern, exzellenten Darstellern und einem stimmigen Gesamtkonzept dem Publikum nahe zu bringen.
Die kleine Bühne in der Menier Chocolate Factory liegt direkt zwischen den beiden Tribünen. Als Zuschauer sitzt man so nah am Geschehen, dass man fast schon mittendrin ist. Es gibt Stücke, bei denen das zu einer amüsanten, spielerischen Einbindung des Publikums einladen würde. Wenn am Ende von “Assassins” dagegen die titelgebenden Attentäter ihre Waffen auf die Sitzreihen richten und man den Wahnsinn in ihren Augen direkt vor der Nase hat, geht das unter die Haut und versinnbildlicht die verstörende Grundstimmung des gesamten Stückes.
“Assassins” hat keine durchgängige Handlung im eigentlichen Sinn: In unterbrochenen, nicht chronologisch aneinandergereihten Szenen wird von neun Männern und Frauen erzählt, die Attentate auf US-Präsidenten verübten. Ihre Beweggründe, ihre Wahnvorstellungen, ihre Wut. Es ist eine Gratwanderung, denn einerseits sollen die Hauptcharaktere – ein Sammelsurium von Fanatikern, Anarchisten und Psychopathen – nicht zu Sympathieträgern werden. Andererseits muss das Publikum genug Empathie oder zumindest Interesse für sie aufbringen, um knapp zwei Stunden ihren Geschichten zu folgen. Dass das beim Londoner Revival funktioniert, liegt vor allem an den starken darstellerischen Leistungen der Akteure. Wenn John Wilkes Booth (stimmlich herausragend: Aaron Tveit) nach dem gelungenen Attentat auf Abraham Lincoln eindringlich fleht, “Let them curse me to hell, leave it to history to tell: What I did, I did well, and I did it for my country”, dann versteht man seinen Schmerz, auch wenn man seine Tat verurteilt. Sarah Jane Moores (herrlich komisch: Catherine Tate) ungeschickte Schießübungen und ihre exaltierte, polternde Art bringen zum Lachen, die unbeholfenen Annäherungsversuche von Leon Czolgosz (David Roberts) an Arbeiterführerin Emma Goldman geben seiner Geschichte eine menschliche Dramatik.
Besonders am Ende lenkt das Stück verstärkt auf eine Meta-Ebene, wenn die anderen Attentäter angeführt von Booth den desillusionierten Lee Harvey Oswald quasi dazu überreden, seinem Leben einen Sinn zu geben und ihrem gemeinsamen Vermächtnis ein Denkmal zu setzen, indem er John F. Kennedy erschießt. Dass Oswald dabei vom gleichen Darsteller (in der Doppelrolle stark: Jamie Parker) verkörpert wird wie der Balladeer, der als gut-gelaunter, Laute spielender Erzähler durch das Stück führt, verknüpft die verschiedenen Episoden zusätzlich. Das Konzept geht trotz des hervorragenden, intensiven Zusammenspiels der Darsteller – allen voran Parker and Tveit – nicht vollständig auf: Die Wendung am Ende bleibt etwas bemüht und konstruiert.
Schon allein die Ausstattung sorgt für eine dem Thema entsprechende, unheilvolle, beängstigende Atmosphäre. Mit einem riesigen, am Boden liegenden Clowns-Kopf und Zirkus-typischer Beleuchtung deutet das Bühnenbild eine heruntergekommene Manege an. Passend dazu bekommt der Proprietor (Simon Lipkin), der die Attentäter mit Waffen versorgt, gleichzeitig aber auch als Zielscheibe und Stellvertreter für die Präsidenten herhält, ein angedeutetes Clowns-Make-Up verpasst, das den eher neutralen Charakter zu einer einschüchternden Erscheinung werden lässt.
Wer erwartet, dass sich die düstere, makabere Handlung auch musikalisch niederschlägt, wird von bewusst beschwingten Ensemble-Nummern wie “Everybody’s Got The Right” überrascht. Selbst in den dramatischen, getragenen Songs wie bei “Ballad of Booth” lässt der Balladeer mit munteren, unverdrossenen Einlagen keine Schwermut aufkommen. Musikalisch funktioniert diese emotionale Achterbahnfahrt gut und passt sowohl zur gefühlsmäßigen Instabilität der Protagonisten als auch der moralischen Ambivalenz der Erzählperspektive. Insgesamt würde man sich ein ausgewogeneres Verhältnis von Textpassagen zu Songs wünschen, wobei mit “Something Just Broke” im Vergleich zur Ur-Fassung schon eine zusätzliche Gesangsnummer aufgenommen wurde, die durch die Reaktionen der Bevölkerung auf Kennedys Tod die Tragweite von Oswalds Tat verdeutlicht.
“Assassins” ist kein Stück, das mit einer klaren, sauber zurechtgelegten Botschaft daherkommt. Die Revival-Produktion hinterlässt einen bleibenden Eindruck – auch oder gerade weil man das etwas unbehagliche Gefühl nicht abschütteln kann, die letzten zwei Stunden in den Köpfen von Soziopathen verbracht zu haben. Wer bereit ist, sich auf das Experiment einzulassen, wird mit qualitativ hochwertigem Theater-Genuss belohnt.
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KREATIVTEAM |
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Musik / Texte | Stephen Sondheim |
Buch | John Weidman |
Regie | Jamie Lloyd |
Choreographie | Chris Bailey |
Musikalische Leitung | Alan Williams |
Bühne und Kostüme | Soutra Gilmour |
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CAST (AKTUELL) |
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The Proprietor | Simon Lipkin |
The Balladeer / Lee Harvey Oswald | Jamie Parker |
John Wilkes Booth | Michael Xavier |
Charles Guiteau | Andy Nyman |
Leon Czolgosz | David Roberts |
Giuseppe Zangara | Stewart Clarke |
Lynette "Squeaky" Fromme | Carly Bawden |
Sara Jane Moore | Catherine Tate |
John Hinckley, Jr. | Harry Morrison |
Samuel Byck | Mike McShane |
Emma Goldman | Melle Stewart |
Bystanders | Marc Akinflarin Adam Bayjou Greg Miller Burns Aoife Nally |
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CAST (HISTORY) |
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John Wilkes Booth | Aaron Tveit [21.11.14 - 08.02.15] Michael Xavier [seit 10.02.15] |
Sara Jane Moore | Anna Francolini [10.02. - 22.02.15] |
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TERMINE |
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keine aktuellen Termine |
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TERMINE (HISTORY) |
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