Pascal Nöldner © Claudia Hoppens
Pascal Nöldner © Claudia Hoppens

Hedwig and the Angry Inch (2014)
Schwankhalle, Bremen

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Hedwig erzählt dem Publikum ähnlich einer Psychotherapie ihre Geschichte: In Ostberlin “auf der falschen Seite der Mauer” als androgyner Hansel aufgewachsen, nach einer misslungenen Geschlechtsumwandlung durch Heirat mit einem schwarzen GI in die USA gekommen, bereits ein Jahr später geschieden und immer noch auf der Suche nach sich selbst.

So sinniert ein Transsexueller Rocksong singend – auf Tour durch Dörfer und Gemeinden befindlich – über sein Leben und lässt sich dabei nicht unterkriegen. Dies passt ideal in die kleine und schlichte Schwankhalle. “Hedwig and the Angry Inch” von Stephen Trask (Musik, Texte) und James Cameron Mitchell (Buch) ist Musical als Solo Programm und Rock-Konzert. Die Besetzung besteht aus Hedwig selbst, Ihrem Partner Yitzhak und vier in die Handlung einbezogene Musiker.

Ein kleines Stück Männlichkeit ist Hedwig durch die nicht vollendete Änderung zur Frau doch geblieben, der “Angry Inch” – so heißt auch ihre Band. Sie steht zwischen den Geschlechtern und dies lässt ihre Beziehungen immer wieder scheitern, zuletzt die mit dem Rockstar Tommy Gnosis. Ihn hält Hedwig für den Richtigen, wird jedoch wiederum enttäuscht. „Warum kann denn bloß niemand ihre Vorderseite lieben?” Einspielungen aus einem parallel stattfindenden Konzert Tommys im Weserstadion („auf der richtigen Seite der Weser”) werden per Videoprojektionen an die obere Rückwand der Bühne projiziert. Hedwig wartet vergebens, dass er sich bei ihr bedankt; schließlich hat sie seine Songs geschrieben und ihm damit zu großem Erfolg verholfen und – sie hat ihn geliebt.

Die schrille und exzentrische Titelrolle ist darstellerisch eine Herausforderung. Sie ist nahezu das ganze Stück über auf der Bühne präsent und füllt dies mit Monologen und Rocksongs, wobei die Monologe deutlich überwiegen. Hier zeigt Pascal Nöldner enorme Entertainer-Qualitäten. Etwas holprig – auch durch ein ausfallendes Mikrophon verursacht – beginnend gelingt ihm trotzdem eine im Laufe des Abends bewegende Darstellung. Als Hedwig ist er mal quirlig und springt mit High-Heel-Stiefeln über die Bühne, dann aber auch melancholisch, wenn sie von den dunklen Seiten ihrer Geschichte spricht. Dazu steht er viel in Interaktion mit dem Publikum, bespuckt es unter anderem mit Wasser oder tanzt mitreißend hindurch. Mit verstellter Stimme spricht Nöldner auch andere in seiner Geschichte auftretende Charaktere. Gerade der GI gelingt ihm mit tiefer Stimme und US-amerikanischen Slang überzeugend.

Birgit Corinna Lange ist in der kleinen Rolle des Yitzhak oft lediglich Stichwortgeberin. Sie verkörpert jedoch glaubhaft den herben Mann vom Balkan, der eine sehr harte Aussprache ohne Umlaute hat. Hedwig und er lassen je kein gutes Haar aneinander, was zu harten, aber auch amüsanten Situationen führt.

Stimmlich agieren beide auf sehr hohem Niveau: Nöldner vor allem im Rockbereich, wobei ihm die hohen Töne nicht liegen (was Hedwig auch zugibt); Lange eher in klassischer Richtung. Herrlich ist Langes ganz eigene Version von „Memory” aus “Cats” am Anfang des zweiten Aktes, das hart von der eifersüchtigen Hedwig unterbrochen, weil diese einmal nicht im Mittelpunkt steht.

Die Band beherrscht sowohl die Rock- und Punkklänge als auch die Balladen. Carsten Sauer (Piano und Keyboard), Denni Fischer (Bass), Norman Karlsen (Schlagzeug) und Keule (Gitarre) spielen laut und kraftvoll. Am Ende des ersten Aktes verdichtet sich die musikalische Begleitung und es wird schwung- und stimmungsvoll. Das Publikum wird zum Pausenfinale durch hochgehaltene Tafeln mit Songtexten erfolgreich zum Mitsingen animiert. Insgesamt sind jedoch nicht immer alle in Englisch und Deutsch dargebotenen Gesangstexte gut zu verstehen.

Neben der Band in der Mitte finden auf der breiten aber wenig tiefen Bühne eine kleine, verschiebbare Auftrittstreppe, ein aufklappbarer Wohnwagen mit Waschmaschine und einer Küche mit Essecke ihren Platz. Dabei sitzt Hedwig schon mal auf den Küchenschränken oder auch auf dem angeschalteten Herd, und erzählt, wie sie als Kind ihren Kopf Westmusik-hörend auf einem Rost im heißen Ofen hatte. Ihre Einlage zum Erklimmen der Schränke spielt sie überzeugend komisch und witzig. Die Schranktüren werden von den Bandmitgliedern auch als Auf- und Abgänge genutzt. Die einfache Ausstattung spiegelt passend Hedwigs materielle Situation wieder.

Die Kostüme von Hedwig sind dagegen schrill und bunt, genau wie ihr stark geschminktes Gesicht. Am Anfang trägt sie die Berliner Mauer als Stola und Stiefel mit der US-Flagge darauf. Im Laufe des Abends werden ihren Roben jedoch ruhiger und seriöser. Die Band hat erst FDJ-Shirts an und später als Ehefrauen japanischer Soldaten entsprechende asiatische Hüte auf. Yitzhak ist herb mit Jogginghose, Totenkopfshirt und Kopftuch in gedeckten Farben gekleidet.

Am Ende ist Hedwig nur mit einem Höschen bekleidet wieder ein Mann und Yitzhak im Abendkleid eine Frau. Und Tommy bedankt sich beim Finale seines Konzertes doch noch andeutungsweise bei Hedwig, ohne jedoch ihren Namen zu nennen. Hat sie sich damit gefunden und ihre Welt damit endlich in Ordnung? Auf jeden Fall wird sie weiterkämpfen und sich natürlich nicht geschlagen geben.

Diese Produktion ist ein weiteres Beispiel für die sich hierzulande erfreulicherweise entwickelnde Off-Musicalszene. So sorgt die Rocksong-singende und sinnierende Hedwig für einen unterhaltsamen Abend in Bremen.

 
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KREATIVTEAM
RegieNomena Struß
 
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CAST (AKTUELL)
HedwigPascal Nöldner
YitzhakBirgit Corinna Lange
BandCarsten Sauer
Denni Fischer
Keule
Norman Karlsen
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Mi, 11.06.2014 20:30Schwankhalle, Bremenöff. Probe
Do, 19.06.2014 20:30Schwankhalle, BremenPremiere
Sa, 21.06.2014 20:30Schwankhalle, Bremen
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