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Auf kommunal finanzierten Bühnen muss Musical Quote bringen. Da setzen viele Intendanten bevorzug auf Stücke wie die mit der fleischfressenden Pflanze, dem schrillen Narrenkäfig oder dem Blumenmädchen, das dank Sprachübungen fit für die bessere Gesellschaft gemacht wird. Deshalb: Hut ab vor dem Theater im thüringischen Nordhausen, das Dennis Martins Musical erstmals nach der Uraufführung von 2011 herausbringt! Wäre nicht die lahme Inszenierung von Iris Limbarth, dann wäre diese Aufführung mit ihrer herausragenden Hauptdarstellerin und dem innovativen Bühnenbild ein großer Wurf.
Wissbegierig hängt das kleine Mädchen an den Lippen seiner Mutter. Entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Vaters, einem Dorfpriester, berichtet die Heidin (ausdrucksstark und stimmschön: Anja Daniela Wagner) im Song “Boten der Nacht” ihrem Kind aus der Welt der germanischen Götter. Als der Geistliche zufällig Wind davon bekommt, züchtigt er die Frau. Der ungeliebten Tochter bleibt dieses Schicksal erspart. Die im Lied erwähnten Raben Munin (Johanna Schnetz) und Hugin (Auke Swen), stellen sich mit ausladenden Flügelschlägen schützend vor das Kind. Auch in anderen, für Johanna brenzligen Situationen (Normannenangriff bei ihrer arrangierten Hochzeit, Konfrontation mit dem Vater im Kloster Fulda) erscheinen die beiden Tänzer als ihre schwarzen Schutzengel. Diese Funktion verlieren die Vögel der germanischen Mythologie allerdings, als Johanna in der Identität ihres ermordeten Bruders als geachteter Arzt in Rom, dem Zentrum des christlichen Glaubens, wirkt. Und so kann die Geschichte ihren tragischen Verlauf nehmen, der mit dem Tod der schwangeren Päpstin endet.
Die beiden Rabenfiguren sind ein ausdrucksstarker Einfall, der so allerdings 2011 auch in der Uraufführungs-Inszenierung zu sehen ist. Für die erste freie Produktion in Nordhausen hat die neue Regisseurin Iris Limbarth keine neuen Sichtweisen entwickelt. So erzählt sie die Geschichte, wie Dennis Martin den Bestseller von Donna W. Cross für die Musicalbühne adaptiert hat. Ihre recht statische Inszenierung wirkt auch deshalb altbacken, weil die Darsteller – häufig nur unzureichend ausgeleuchtet – frontal zum Publikum stehen und in großer Pose ihre Lieder interpretieren. Wenn zum Beispiel Marian Kalus (Abt Rabanus) hinreißend und mit großer, klassisch ausgebildeter Tenorstimme sein ergreifendes Solo “Hinter hohen Klostermauern” singt, dann wirkt das Musical “Die Päpstin” wie eine sehr traditionelle Opernaufführung. Das lähmt und schafft eine eigenartige Distanz zum Publikum.
Limbarth gelingt es zudem nicht, die einzelnen Gewerke des Hauses auf der Bühne zu einem homogenen Ganzen zu formen. In Massenszenen marschieren zunächst die Chormitglieder ein, um dekorativ die ihnen zugeteilten Plätze einzunehmen und die dann folgende Ballet-Kompanie zu umrahmen. Alternativ dürfen die Choristen auch hinten stehen, damit davor die Tanzpaare Limbarths nicht sehr fordernde Choreografien ausführen können. Wenn dann die Sänger ihre Arme schwenken und tapsige Drehungen ausführen, dann wirkt das wie eine Melange aus Tanz- und Aerobicstunde. Von Limbarth, einer ausgebildeten Tänzerin und ausgewiesenen Musicalspezialistin, darf man mehr erwarten!
Innovativer gibt sich das karge, abstrakte Bühnenbild. Udo Herbster hat einen nackten, weißen Raum mit vier verschiebbaren Wänden im Hintergrund entworfen. Durch seine Öffnungen können die Darsteller eintreten, es lassen sich aber auch Kreuzanmutungen daraus bilden. In diesen Raum fahren die als Mönche verkleideten Bühnentechniker drei weiße Treppenpodeste, die in immer neuen Konstellationen und um einige Versatzstücke ergänzt, die Handlungsorte andeuten. Durch diese Lösung rücken die handelnden Personen der tragischen Geschichte in den Vordergrund. Gleichzeitig kommt auch das geschmackvolle Kostümbild (Elisabeth Stolze-Bley), das dem Zeitkolorit des Mittelalters und des römischen Kaiserreichs huldigt, besonders gut zur Geltung.
Im Zentrum der Handlung steht Johanna. Mit Hannah Wattenbach hat das Theater eine sehr ausdrucksstarke und glaubwürdig agierende Kinderdarstellerin gefunden, die etwas abrupt von ihrem größeren Alter Ego abgelöst wird. Und damit beginnt die Sternstunde der Nordhauser “Päpstin”: Femke Soetenga bietet bis zum Finale in Spiel und Gesang eine Glanzleistung. Die Darstellerin ist als junge Frau sehr verhalten und naiv, wechselt in der Männerverkleidung in eine burschikosere Attitüde mit dunklerem Sprechtimbre und zerbricht als Päpstin an der Bürde ihrer Aufgabe und an dem sie umgebenden Intrigennetz. In den Liebeszenen mit Gerold (auf den Punkt besetzt: Patrick Stanke) spielt sie die zartfühlende Frau, die sich nach Geborgenheit sehnt. All diese Facetten lebt Soetenga mit ihrer bis in die Höhen sicher geführten, brillanten Sopranstimme, wobei vor allem das Klagende “Ich bin allein” Gänsehaut verursacht. Einen weiteren Höhepunkt bildet das mit Stanke gesungene Duett “Ein Traum ohne Anfang und Ende”. Thomas Kohl (Aeskulapius) ist mit seinem warmen, satten Bassbariton ein weiterer großer Pluspunkt auf der Besetzungsliste.
Etwas blass hingegen bleibt das intrigante Vater-Sohn-Gespann Christian Venzke (Arsenius) und David Roßteuscher (Anastasius), dem eine etwas boshaftere Charakterzeichnung gut zu Gesicht gestanden hätte. Beide Darsteller spielen ihre Charaktere etwas zu aalglatt-zurückgenommen, wobei zumindest Roßteuscher mit seinem schönen, hohen Tenor aufhorchen lässt. Venzkes Stimme hingegen wirkt brüchig und der Sänger brüllt seine Schlusstöne angestrengt gegen die Orchesterbegleitung heraus.
Das in der besuchten Vorstellung von Markus Popp dirigierte Loh-Orchester Sondershausen fühlt sich auch in den jenseits der Klassik komponierten Pop-Hymnen und Uptempo-Nummern hörbar zu Hause. “Die Päpstin” mit Musikern im Graben veredelt ein Musical, bei dessen Uraufführung die Begleitung per Konserve eingespielt wurde. Wenn dann noch jemand eine attraktivere Inszenierung als in Nordhausen auf die Bühne bringt, dann kann das Stück Einzug ins Repertoire vieler weiterer Theater finden.
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Michael Ellis Ingram Markus Popp |
Inszenierung und Choreografie | Iris Limbarth |
Bühne | Udo Herbster |
Kostüme | Elisabeth Stolze-Bley |
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CAST (AKTUELL) |
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Johanna | Femke Soetenga Tina Haas | |||
Die kleine Johanna | Hannah Wattenbach Zoé von Soden | |||
Gerold | Patrick Stanke Mathias Edenborn | |||
Arsenius | Christian Venzke | |||
Anastasius | David Roßteutscher | |||
Gudrun | Anja Daniela Wagner | |||
Marioza | Désirée Brodka Anja Daniela Wagner | |||
Fulgentius, Rabanus | Marian Kalus | |||
Aeskulapius | Thomas Kohl | |||
Vater, Papst Sergius | Florian Kontschak | |||
Richild | Katharina Blum | |||
Lothar, ein Mönch, Beamter, Priester, Lustknabe | Michael Beck | |||
Der kleine Johannes | Pascal Fischer | |||
Rabe Munin | Johanna Schnetz | |||
Rabe Hugin | Auke Swen | |||
Frau | Anett Theuerkauf | |||
Hure, Appolonia, Frau | Anna Baranowska | |||
Händlerin | Sabina Kanova | |||
Hure, Livia | Soo Kyung Lee | |||
Hebamme, Händlerin, Wahrsagerin | Susanne Stephan | |||
Markrtschreier, Reliquienhändler, Hofmarschall | David Johnson | |||
Kunde, Mann | Dimitar Radev | |||
Marktschreier, Reliquienhändler, Mönch Thedo, Quacksalber, Kommandant | Jens Bauer | |||
Marktschreier, Hufschmied Rudolph | Yavor Genchev | |||
Marktschreier | Jung-Uk Oh | |||
Geistlicher, Mönch Thomas, Bote, Marktschreier | Simon Rudoff | |||
Opernchor | ||||
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Ballettkompanie | ||||
Kinderchor und Statisterie des Theaters Nordhausen | ||||
Loh-Orchester Sondershausen |
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