Detlef Leistenschneider © Stage Entertainment
Detlef Leistenschneider © Stage Entertainment

Das Wunder von Bern (2014 - 2017)
Theater an der Elbe, Hamburg

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Die Stage Entertainment eröffnete ihr viertes Musicaltheater in Hamburg mit einer Eigenproduktion. “Das Wunder von Bern” beruht auf dem gleichnamigen Film aus dem Jahr 2003, in dem die Geschichte von Deutschlands Sieg bei der Fußball-WM in Bern 1954 mit den Erlebnissen eines in seine Heimat zurückgekehrten Kriegsgefangenen verbunden wird. Das Musical-Buch schrieb Gil Mehmert, der auch inszenierte, die Musik stammt von Martin Lingnau (“Heiße Ecke”), für die Texte zeichnet sich Frank Ramond verantwortlich.

Ein Spektakel mit Herz ist für das neue Stage Theater in Hamburg entstanden. Der große Pluspunkt des Musicals ist die wirklich schöne, gehaltvolle Story. Das Schicksal der gut ausgearbeiteten Hauptfiguren rührt fast zu Tränen und gerade bei der älteren Generation dürften im Verlauf der 1954 spielenden Handlung so einige “Ach ja, weißt du noch”-Momente vorkommen. Und auch wenn das Ganze gern als Fußball-Musical bezeichnet wird, ist der populäre Ballsport an dem Abend zwar allgegenwärtig, im Zentrum steht jedoch die zu Herzen gehende Geschichte der Familie Lubanski in Essen.

Regisseur Gil Mehmert stand vor der Herausforderung, diese eigentlich intime Handlung als Spektakel auf großer Bühne zu inszenieren. Dazu gibt es selbstverständlich gigantische Bühnenteile, die aus allen Richtungen in Sekundenschnelle auf die Bühne fahren bzw. schweben, um das Innere des Lubanskischen Wohnhauses, ihre Gaststätte oder die Hotelzimmer der Fußballer und Reporter in der Schweiz detailgetreu wiederzugeben, um nur einige Handlungsorte zu nennen. Und doch sind die Familienszenen intim, manchmal geradezu beklemmend, gelungen. So treffen sich Mutter Christa Lubanski und ihre drei Kinder Bruno, Ingrid und Matthias am Anfang des Musicals am Esstisch. Ihr Tischgebet geht in eine Gänsehaut-Ballade über, in der jeder der vier von seinen Wünschen und Träumen erzählt, und in der auch die guten Wünsche für Vater Richard enthalten sind, der sich noch in Kriegsgefangenschaft befindet. Kurze Zeit später kehrt er, der die Familie etwa ein Jahrzehnt nicht gesehen hat, zurück und die Situation wird zunehmend angespannter: Richard versucht Oberhaupt einer Familie zu sein, die viele Jahre ohne ihn klar gekommen ist. Insbesondere Nesthäkchen Matthias, der erst zur Welt kam, als Richard schon an der Front war, weiß so gar nicht, wie er damit umgehen soll, dass sein Vater nicht dem Bild entspricht, das er sich erträumt hat. Dank der durchweg hervorragend besetzten Darsteller kommt dieses beklemmende Gefühl auch in den hinteren Reihen bzw. im Rang des riesigen Theaters an.

Detlef Leistenschneider brilliert geradezu als Kriegsheimkehrer, der sich in seiner Heimat nicht mehr zurechtfindet. Riccardo Campione meistert die große, anspruchsvolle Rolle des Matthias Lubanski beeindruckend sicher, sowohl im Gesang als auch im Schauspiel. Vera Bolten bringt viel mütterliche Wärme als Christa auf die Bühne und vielleicht passt es ganz gut, dass sie des öfteren im Hintergrund steht, dort aber die Fäden ihrer Familie in den Händen hält. Ingrid versucht es einfach auszuhalten, als die familiäre Situation immer unangenehmer wird. So empfiehlt sich Darstellerin Marie-Anjes Lumpp eher durch subtile Gesten und Blicke, während David Jakobs als Bruno die Konfrontation mit dem Vater sucht und so für einige starke Momente, u.a. auch als Rock’n Roller, sorgt. Im zweiten Akt beginnt sich der Knoten bei den Lubanskis zu lösen. Richard erkennt, dass er nicht einen Patriarchen vorgeben, sondern seine Familie an seiner Gefühlswelt teilhaben lassen muss. So gibt es z.B. eine Szene, in der er der Familie von seinen Erlebnissen in Russland erzählt. Dazu bewegt sich über mehrere Minuten kaum etwas auf der Bühne – außer der Tischdecke, die Richard im Laufe des Liedes vor Anspannung langsam in seiner Faust vom Tisch zieht. Das ist einer von vielen intimen Momenten, die tatsächlich auch auf der riesigen Bühne – nicht zuletzt dank der ausgeklügelten Lichttechnik, mit der immer wieder gut fokussiert wird – funktionieren.

Sehr gut gelungen sind auch die Stimmungswechsel auf der Bühne, denn neben dem Drama bei den Lubanskis sorgen z.B. lästernde Fußballfans am Spielfeldrand bzw. vor dem Fernseher für witzige Momente. Auch die Szenen der Fußball-Nationalelf bieten dank der flapsigen Sprüche der Jungs – allen voran Helmut Rahn (glänzend gespielt von Dominik Hees), der das Leben ganz locker sieht und gerade darum von Matthias Lubanski nahezu vergöttert wird – und dank des trockenen Humors ihres Trainers Sepp Herberger einiges zum Lachen. Außerdem haben die Fußballer mehrere flotte, stark choreographierte Nummern, bei denen sie von den beiden Ballartisten Adrian Fogel und Dominik Kaiser unterstützt werden, die wirklich beeindruckende Kunststücke mit dem runden Sportgerät vorführen.

Und dann gibt es da noch die Ackermanns. Paul Ackermann soll als Sportreporter über die WM berichten, obwohl seine Frau Annette, die sich so gar nicht für Fußball interessiert, doch viel lieber mit ihm mondäne Flitterwochen erleben wollte. Insbesondere Anette entwickelt sich mit zwei tollen Solonummern, in denen sie versucht ihren Mann mit weiblichen Reizen von seiner Schreibmaschine wegzulocken, und naiv-entzückenden Kommentaren, die sie mehr und mehr zur Fußball-Expertin werden lassen, zu einer wahren Absahnerrolle, die Elisabeth Hübert mit ihrem wie immer überbrodelnden Charme bestens zu nutzen weiß. Andreas Bongard macht als Paul das einzig Richtige: Er überlasst seiner Bühnenpartnerin die großen Auftritte und punktet in dem bereits bei der Medienpremiere gut funktionierenden Zusammenspiel des verliebten Ehepaares.

Und natürlich gehören zu einer Großproduktion auch große Shownummern. Wohlgemerkt: eigentlich hätte die Geschichte sie nicht wirklich nötig, aber man muss ja etwas bieten für die horrenden Eintrittspreise… Das Finale des ersten Aktes ist dafür ein gutes Beispiel. In dem zugrunde liegenden Film gibt es eine wunderschöne, leise Szene, in der Sepp Herberger, besorgt um die Disziplin seiner Jungs, im Hotel von einer lebenserfahrenen Schweizer Putzfrau in einem witzig-melancholischen Dialog aufgefordert wird, doch auch mal Fünfe gerade sein zu lassen. Im Musical wird daraus die schmissige Bigband-Nummer “Seien Sie nicht so deutsch”, in der das Ensemble mit Glitzerjackets aufwändig choreographiert für Glamour und Schwung auf der Bühne sorgt. Eine tolle Showstopper-Nummer, gar keine Frage! Aber gerade im Vergleich zum Film ist es eigentlich schon zuviel des Guten, was da auf der Bühne passiert – zumal die Tatsache, dass die Putzfrau im Musical ohne dramaturgischen Anlass von einem als Frau verkleideten Mann gespielt wird, das Ganze sogar noch eher ins Lächerliche zieht.

Auch das Finale des zweiten Aktes ist eine große Nummer geworden. So wie “Rocky” den spektakulären Boxkampf zu bieten hat, wird hier mehrere Minuten lang ein Teil des WM-Endspiels gezeigt – und zwar aus der Vogelperspektive. Dazu zeigt die allgegenwärtige riesige Projektionswand einen grünlich-grauen Untergrund – den Rasen im Stadion – und die Spieler werden oberhalb der Wand an Seilen hoch- und runtergelassen, so dass der Eindruck entsteht, sie laufen auf dem Rasen. Der Ball erscheint virtuell auf der Leinwand, und wenn einer der Akteure zum Schuss ansetzt, fliegt er in die entsprechende Richtung und die Akteure werden natürlich entsprechend schnell wieder hoch bzw. runter gelassen, als würden sie dem Ball folgen… Eine spannende Kombination von Darstellern und Technik, die ohne Zweifel fasziniert, aber längst nicht so im Gedächtnis bleibt wie die sensiblen Momente des Familiendramas.

Es gab in der jüngeren Vergangenheit mehrere Produktionen, bei denen Projektionen geradezu im Übermaß eingesetzt wurden. Für “Das Wunder von Bern” wurde diese Technik ansprechend genutzt. Die Leinwand ist immer in Betrieb, zumeist werden passende Landschaftsbilder aus dem Ruhrpott oder der Schweiz dezent als Hintergrund gezeigt. Erfreulich selten gerät die zugegebenermaßen imposante Technik kurz in den Mittelpunkt, z.B. bei der Ankunft der Kriegsheimkehrer, als plötzlich eine Dampflokomotive auf die Zuschauer zuzufahren scheint.

Was die musikalische Seite anbelangt, bieten ansprechende Balladen, ein bisschen Rock’n Roll und mehrere flotte Ensemble-Nummern eine nett anzuhörende Mixtur. Martin Lingnaus Kompositionen hinterlassen allerdings kaum bleibenden Eindruck – nicht zuletzt aufgrund der doch sehr künstlich klingenden Umsetzung. Von sinfonischen Eindrücken entfernen sich die Musical-Großproduktionen anscheinend bedauerlicherweise immer mehr. Das hier zwar immer noch anwesende kleine Orchester wird von Keyboards dominiert und so etwas wie beispielsweise handgemachte satte Streicher-Elemente sucht man in der Musik leider vergebens. So bleibt die Hoffnung, dass das Herzblut, das dieser Produktion an vielen Stellen anzumerken ist, vielleicht irgendwann auch mal wieder aus dem Orchestergraben zu hören ist…

 
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KREATIVTEAM
MusikMartin Lingnau
Buch und RegieGil Mehmert
TexteFrank Ramond
Musikalische LeitungChristoph Bönecker
Musical Supervisor / Vocal ArrangementsSebastian de Domenico
ChoreografieSimon Eichenberger
Konzept und Choreografie vertikale FußballakrobatikBrendan Shelper
BühneJens Kilian
KostümeStefanie Bruhn
LichtAndreas Fuchs
VideoAd de Haan
Tim Ringewaldt
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
=09/2016-01/2017=
Richard LubanskiDetlef Leistenschneider,
(Frank Logemann
Florian Soyka)

Christa LubanskiVera Bolten
Sonia Farke,
(Maria Kempken
Annette Potempa)

Ingrid LubanskiInga Krischke,
(Jessica Rühle
Franziska Trunte)

Bruno LubanskiDavid Jakobs,
(Robin Koger
Merlin Fargel)

Annette AckermannAlexandra Farkic,
(Joana Henrique
Maria Kempken)

Paul AckermannWolfgang Zarneck,
(Michael Ehspanner
Merlin Fargel)

Helmut RahnDennis Henschel,
(Eiko Keller
Robin Koger)

Fritz WalterFlorian Soyka,
(Eiko Keller
Hendrik Schall)

Berni KlodtEiko Keller,
(Michael Ehspanner
Giuliano Mercoli
Hendrik Schall)

Sepp Herberger / BohseThomas Henniger von Wallersbrunn,
(Stephan Bürgi
Frank Logemann)

Pfarrer Keuchel / GrabitzTetje Mierendorf,
(Stephan Bürgi
Frank Logemann)

Tiburski / Putzfrau / Adi DasslerJogi Kaiser,
(Stephan Bürgi
Florian Soyka)

EnsembleMarie-Therese Anselm
Pavlo Antonov
Michael Ehspanner
Merlin Fargel
Adrian Fogel
Ivo Giacomozzi
Joana Henrique
Dominik Kaiser
Eiko Keller
Robin Koger
Csaba Nagy
Jessica Rühle
Daniel Therrien
Franziska Trunte
SwingsRené Becker
James Cook
Maria Kempken
Garry Norman Christopher Kessing
Giuliano Mercoli
Annette Potempa
Hendrik Schall
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (HISTORY)
=10/2015-09/2016=
Richard LubanskiDetlef Leistenschneider,
(Frank Logemann
Florian Soyka)

Christa LubanskiVera Bolten
Sonia Farke,
(Alexandra Farkic
Tanja Schön)

Ingrid LubanskiInga Krischke,
(Jessica Rühle
Franziska Trunte)

Bruno LubanskiPhilipp Büttner,
(Robin Koger
Patrick Adrian Stamme)

Annette AckermannElisabeth Hübert [-12.08.2016]
Alexandra Farkic [13.08.-],
(Tanja Schön
Katrin Taylor)

Paul AckermannWolfgang Zarneck,
(Michael Ehspanner
Patrick Adrian Stamme
Merlin Fargel)

Helmut RahnDennis Henschel,
(Eiko Keller
Patrick Adrian Stamme)

Fritz WalterFlorian Soyka,
(Stefan Preuth
Patrick Adrian Stamme)

Berni KlodtStefan Preuth,
(Eiko Keller
Hendrik Schall)

Sepp Herberger / BohseThomas Henniger von Wallersbrunn,
(Stephan Bürgi
Frank Logemann)

Pfarrer Keuchel / GrabitzTetje Mierendorf,
(Stephan Bürgi
Frank Logemann)

Tiburski / Putzfrau / Adi DasslerJogi Kaiser,
(Stephan Bürgi
Florian Soyka)

EnsemblePavlo Antonov
Matt Cox
Michael Ehspanner
Alexandra Farkic
Adrian Fogel
Dominik Kaiser
Eiko Keller
Robin Koger
Jessica Rühle
Daniel Therrien
Franziska Trunte
SwingsJames Cook
Javan Hoen
Fabian Kaiser
Giuliano Mercoli
Esther Mink
David Pellerin
Hendrik Schall
Tanja Schön
Patrick Adrian Stamme
Katrin Taylor
=11/2014-09/2015=
Richard LubanskiDetlef Leistenschneider,
(Patrick Imhof
Mark Weigel)

Christa LubanskiVera Bolten
Sonia Farke,
(Alexandra Farkic
Tanja Schön)

Ingrid LubanskiMarie-Anjes Lumpp,
(Shari Lynn Stewen
Franziska Trunte)

Bruno LubanskiDavid Jakobs,
(Robin Koger
Pedro Reichert
Patrick Adrian Stamme)

Annette AckermannElisabeth Hübert,
(Tanja Schön
Shari Lynn Stewen)

Paul AckermannAndreas Bongard,
(Florian Soyka
Patrick Adrian Stamme)

Helmut RahnDominik Hees,
(Dennis Henschel
Pedro Reichert)

Fritz WalterMark Weigel,
(David Allers
Florian Soyka
Patrick Adrian Stamme)

Berni KlodtDennis Henschel,
(Hendrik Schall
Pedro Reichert
Patrick Adrian Stamme)

Sepp Herberger / BohseRobin Brosch,
(Michael Ophelders
Mark Weigel)

Pfarrer Keuchel / GrabitzTetje Mierendorf,
(Patrick Imhof
Michael Ophelders)

Tiburski / Putzfrau / Adi DasslerJogi Kaiser,
(Patrick Imhof
Michael Ophelders)

EnsemblePavlo Antonov
Matt Cox
Alexandra Farkic
Adrian Fogel
Dennis Henschel
Dominik Kaiser
Robin Koger
Pedro Reichert
Florian Soyka
Shari Lynn Stewen
Daniel Therrien
Franziska Trunte
SwingsJames Cook
Amaya Keller
Giuliano Mercoli
Esther Mink
David Pellerin
Gabriela Ryffel
Hendrik Schall
Tanja Schön
Patrick Adrian Stamme
Matteo Vigna
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Do, 20.11.2014 19:30Theater an der Elbe, HamburgPreview
So, 23.11.2014 19:00Theater an der Elbe, HamburgPremiere
Mi, 26.11.2014 18:30Theater an der Elbe, Hamburg
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