Peter Zeug © Moritz Sachs
Peter Zeug © Moritz Sachs

Die schwarzen Brüder (2014)
Schloss, Bückeburg

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Mit den “Schwarzen Brüdern” bekommt das Schloss Bückeburg in diesem Jahr sein eigenes Musical-Sommer-Open-Air. Mirco Vogelsang inszeniert den Stoff um die Tessiner Kaminkehrerjungen nach der Uraufführung in Schaffhausen (2007) zum zweiten Mal. Vor imposanter Kulisse erzählt er rührend, wenn auch teilweise etwas unüberschaubar, die Geschichte von Giorgio und seinen Freunden. Dabei setzt Vogelsang auf ein gutes Live-Orchester und zum Teil starke Bilder.

Die Handlung der “Schwarzen Brüder” beruht auf wahren Begebenheiten und beschreibt den Verkauf und die Ausbeutung von Jungen aus dem Tessin als Schornsteinfegergesellen nach Italien im 19. Jahrhundert. In der Bühnenfassung ist sie an einigen Stellen allerdings zu schnell erzählt. Darunter leidet zum Teil auch die Charakterzeichnung, die besonders in den Nebenrollen blass wirkt. Selbst die Gruppe der ‘Schwarzen Brüder’ deren damalige Arbeitsbedingungen das Werk als eigentliche Gesellschaftskritik in den Mittelpunkt rücken sollte, zieht meist nur traurig im Gleichschritt über die Bühne. Auch als einer der wichtigen Protagonisten stirbt, geht die Handlung sehr zügig über diese Szene hinweg, obwohl sie als Grundlage für eine wichtige Wendung im Stoff dient. Wer das zu Grunde liegende Jugendbuch von Lisa Tetzner und Kurt Held kennt, wird auch zum Ende hin einzelne Passagen vermissen. An anderen Stellen ist die Geschichte geschickt und optisch sehr ansprechend gestrafft.

Maite Kelly wagt sich im 8. Schwangerschaftsmonat auf die Bückeburger Bühne, ihren Babybauch geschickt vom Kostüm kaschiert. Ihre Frau Rossi ist verletzend und verletzt zugleich. Sie glaubt an ganz andere Werte als ihr Bühnenehemann. Kelly legt sehr viel Kraft in ihre vergleichsweise eher kleine Rolle und auch ihre lange Bühnen- und Gesangserfahrung sieht und hört man ihr an. Lediglich das durchgängige Vibrato jedes länger anhaltenden Tons stört immer wieder das Gesamtbild.

Der 13-jährige Jasper Klein überzeugt mit einer starken und mitrührenden Interpretation seiner Rolle Giorgio. Er zeigt einen Jungen, der zwar von der Welt gebeutelt ist, aber nie seinen Glauben an das Gute und vor allem seine Werte aufgibt. Am Premierenabend zeigte er sich beim Ansetzen der Töne oft noch etwas kraftlos, was sicherlich der schweren Melodien und durchgängig extrem hohen Töne im Kopfgesang geschuldet ist. Hervorzuheben ist Janko Danailow, der mit seinen 33 Jahren eigentlich recht alt für die Rolle eines Kaminfegerjungen ist. Ihm gelingt mit starker Stimme, schnellen Bewegungen und einem strahlendem Gesicht eine wunderbar optimistische Zeichnung seines Alfredo. In der Rolle des Kindes Angeletta hätte (trotz guter Leistung von Sandra Pangl) hingegen eine kindliche Darstellerin zusätzlich punkten können.

Während der junge Alfredo von seinem Meister Zitrone wie ein Sklave gehalten und behandelt wird, erkennt Herr Rossi den Wert seines neuen Lehrlings Giorgio. Thorsten Tinney interpretiert hier empathisch und stimmstark Herrn Rossi als Getriebenen, hin- und hergerissen zwischen seinen eigenen Werten, der damaligen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Lage und den Ansprüchen seiner Frau. Auch die übrige Cast in Bückeburg überzeugt mit ihren Leistungen und in einem guten Kostümbild. Es macht Freude, dem Ensemble in vielschichtigen Tanznummern von Choreographin Sabine Lindlar zuzusehen. Besonders viel Kreativität steckt hier in Lindlars Kampfszene zwischen den ‘Schwarzen Brüdern’ und den ‘Wölfen’.

Die Bühne in Bückeburg ist mit ihren 50 Metern Breite und dem Schloss als Rückkulisse beeindruckend anzusehen. Die Handlung spielt auf mehreren Ebenen und bezieht die Schlossfassade mit ein. Dabei entstehen schnelle Szenenwechsel und ein stetiger Fluss, der jeden Winkel der Bühne mehrfach als verschiedene Spielorte nutzt. Die schnellen Wechsel bringen viel Dynamik in die Inszenierung, machen es bei Tageslicht im ersten Akt allerdings vor allem in den Massenszenen etwas schwierig, der Handlung zu folgen. Weder optische noch akustische Anhaltspunkte bieten hier Orientierung. Begünstigt wird dieser Effekt zusätzlich durch den zu niedrig geratenen Mittelteil der Bühne. So behindern trotz 20 cm Erhöhung je Sitzreihe allzu oft die Hinterköpfe der vorherigen Reihen die Sicht auf die Handlung.

Andreas Pabst setzt als musikalischer Leiter auf ein fast 20-köpfiges Orchester, die Abmischung der Musik ist kraftvoll und hebt z.T. raffiniert Passagen von Schlagzeug und Percussion hervor. Über den Abend hinweg entsteht ein angenehmer musikalischer Klangteppich mit nur einem kleinen Manko: Die Darsteller werden in gleichmäßiger Balance verstärkt, so dass sie zeitweise nicht gleich auf der großen Bühne zu orten sind.

Wenn zu Beginn des zweiten Akts die Dunkelheit den gezielten Einsatz der Beleuchtung zulässt, entfaltet das Lichtdesign von Gerrit Jurda seine volle Wirkung und zeigt sich weit über dem Durchschnitt einer Open-Air-Produktion. Nahezu ohne Verfolger gelingt ihm mit geschicktem Einsatz von Kopfschwenkern und konventionellen Scheinwerfern rund um die Bühne eine gezielte Herausarbeitung einzelner Spielorte. So reduziert er den Fokus mal auf nur wenige Meter, mal weitet er ihn auf die gesamte Bühnenbreite aus oder bezieht spielerisch die gesamte Schlossfassade (weit über 1000m²) mit ins Geschehen ein.

Die Organisation in Bückeburg ist vor allem für eine erstmalige Nutzung des Schlosses als Open-Air-Standort vorbildlich. Zahlreiche kostenfreie Parkplätze und ein Park-And-Ride mit thematisch beklebten Bussen stehen bereit. Der Weg zur Bühne führt durch den Schlosspark vorbei an allerlei verschiedenen Sitzgelegenheiten und Gastronomieangeboten. Das Angebot an Getränken und Speisen ist abwechslungsreich und z.T. gehoben. So sind die Bückeburger “Schwarzen Brüder” in Summe ein guter Open-Air-Einstand, das Stück selbst könnte allerdings mit präziserer Arbeit an einzelnen Charakteren noch stärker wirken und vor allem auch ein gesellschaftlich stärkeres Statement abgeben.

 
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KREATIVTEAM
Nach dem auf Tatsachen basierenden Jugendbuch von Lisa Tetzner und Kurt Held.
Inszenierung, LibrettoMirco Vogelsang
MusikGeorgij Modestov
Musikalische LeitungAndreas Papst
ChoreografieSabine Lindlar
LichtdesignGerrit Jurda
KostümeKai Rudat
 
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CAST (AKTUELL)
GiorgioJasper Klein
Moritz Gehrckens
Niolai Schein
Die schwarzen BrüderLouis Moses Postulart
Allegro Sprute
Boi Conrad
David Klussmann
Felix Rabenhorst
Ferris Brambor
Florian John
Habib Bastürk
Henry Emmel
Kevin Kawelake
Lennart Ferling
Marlin-Christopher Schwake
Mats Oestreich
Nico Tornow
Noah Steiger
Oliver Benkel
Paul-Yunus Stange
Sören Klose
Vincent John
AlfredoJanko Danailow,
(Daniel Wernecke)
Battista RossiThorsten Tinney,
(Siegmar Tonk)
Frau RossiMaite Kelly [bis 31.08.]
Conny Braun
AngelettaSandra Pangl,
(Claudia Funke)
AnselmoAndreas Röder,
(Christopher Wernecke)
LuiniPeter Zeug,
(Thomas Christ)
Dr. CasellaPeter Zeug,
(Andreas Langsch)
GiovanniTobias Brönner,
(Philipp Dürnberger)
KatzeJulia Waldmayer
PaoloThomas Christ,
(Tim Müller)
AnnaChristiane Reichert,
(Fabienne Hesse)
Gino/ArlecchinoFrank Watzke,
(Robin Koger)
Givo
(Zitrone)
Siegmar Tonk
KlavierlehrerAndreas Langsch
BäckerTim Müller
EngelAnastasia Troska
CarlaConny Braun
JungferFabienne Hesse,
(Christiane Reichert)
ElisaTina Podstawa
EnsembleChristopher Wernecke
Claudia Funke
Daniel Wernecke
Philipp Dürnberger
Robin Koger
SwingsGuido Breidenbach
Kerstin Ried
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Do, 07.08.2014 19:30Schloss, BückeburgPremiere
Fr, 08.08.2014 19:30Schloss, Bückeburg
Sa, 09.08.2014 14:30Schloss, Bückeburg
▼ 34 weitere Termine einblenden (bis 14.09.2014) ▼
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