Eva Noblezada als Kim und Tam © © Matthew Murphy
Eva Noblezada als Kim und Tam © © Matthew Murphy

Miss Saigon (2014 - 2016)
Prince Edward Theatre, London

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Bereits von 1989 bis 1999 war die “Madame Butterfly”-Musical-Adaption von Claude-Michel Schönberg und Alain Boublil am West End zu sehen. Zum 25-jährigem Jubiläum wurde 2014 ein Revival an den Start geschickt. Die guten Darstellern und starken optischen Elemente können allerdings nicht über die Schwächen des Stückes hinwegtrösten.

Mit Getöse und gleißenden Lichtern schwebt ein Helikopter über der Bühne, Menschen wuseln durcheinander, schreien, überall Chaos. Wenn im zweiten Akt von “Miss Saigon” die Regierung in der vietnamesischen Hauptstadt fällt und die Amerikaner die Botschaft überstürzt verlassen, während verängstigte Bürger an den verschlossenen Toren rütteln, ist es – nicht nur was die Spezialeffekte betrifft – das Highlight des Musicals. Es ist eine beklemmende Szene, die auch emotional eine große Wirkung hinterlässt. Damit bleibt sie jedoch allein auf weiter Flur, denn das Revival des Vietnamkriegs-Dramas entpuppt sich über weite Strecken als eine klischeehafte, unglaubwürdige Schnulze.

Dafür, dass das Stück ganz klar den Fokus auf die Liebesgeschichte zwischen G.I. Chris (Alistair Brammer) und der naiven, jungfräulichen Prostituierten Kim (Eva Noblezada) legt, wirkt genau diese Romanze relativ leidenschaftslos und schal. Eben noch ist Chris wenig begeistert, dass ihm sein Kamerad John (Hugh Maynard) eine Liebesnacht mit Kim spendiert, eine Szene später verspricht er ihr mit glänzenden Augen, sie in die USA mitzunehmen. “Can people really fall in love so fast?” fragt sich Marius, der jugendliche Liebhaber in Boublils und Schönbergs anderem großen Musical-Drama “Les Misérables”. Prinzipiell können sie das vielleicht, aber bei Kim und Chris will auf der Bühne nicht so recht der Funke überspringen. Daran mag auch das schön dargebotene Liebesduett “Last Night of the World” nichts ändern.

Zur gemeinsamen Flucht in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten kommt es nicht. Wieso – darüber wird der Zuschauer zunächst im Unklaren gelassen. Nachdem die beiden Liebenden sich ewige Treue geschworen haben, macht das Stück einen jähen Zeitsprung fünf Jahre in die Zukunft. Chris ist verheiratet mit Ellen (Tamsin Carroll) und lebt in den USA, Kim dagegen in einer ärmlichen Hütte in Vietnam, wo sie ihren Sohn aus der Beziehung mit Chris vor den Behörden versteckt. Die Auflösung, wie es zu der Trennung der beiden kam, wird erst im zweiten Akt mit eben der oben erwähnten Helikopter-Sequenz nachgereicht. Eine plausible erzählerische Erklärung für die späte Rückblende gibt es nicht – es erschließt sich kein logischer Grund, warum man die Ereignisse nicht einfach in chronologischer Reihenfolge zeigen konnte.

Auch ansonsten lässt das Buch die Zuschauer mit einigen Ungereimtheiten und wenig geglückten Wendungen zurück, einschließlich dem fragwürdigen Ende, das schlicht auf Dramatik und Schockeffekte abzuzielen scheint. Vielleicht würde die Geschichte besser funktionieren und zumindest mehr emotionale Resonanz hervorrufen, wenn die Charaktere besser entwickelt wären. Aber Chris und Ellen bleiben zweidimensional, und auch Kim hat nur wenige Moment, in denen ihre Motivation klar durchkommt und in sich schlüssig ist. Der einzige Charakter, der schlussendlich wirklich rund ist und den interessantesten und plausibelsten Hintergrund erhält, ist der schmierige Barbesitzer “Engineer” (Jon Jon Briones).

Den Akteuren kann man keine Vorwürfe machen – sie alle holen aus ihren Figuren heraus, was rauszuholen ist. Besonders die blutjunge Eva Noblezada kann als Kim alle Register ziehen und nicht nur in ihrer Darstellung das gesamte Spektrum an Emotionen zeigen. Auch ihre Stimme vermag sie entsprechend zu variieren – von zart und verhalten bis energisch und kraftvoll. Alistair Brammer, der u.a. auch in der “Les Misérables”-Verfilmung als einer der revolutionierenden Studenten zu sehen war, passt optisch perfekt in die Rolle des jugendlichen Liebhabers und mit dem Krieg hadernden Soldaten. Sein Spiel und seine Stimme überzeugen – ebenso wie die seiner Bühnenehefrau Tamsin Carroll. Ellen hat in der Revival-Produktion einen neuen Song bekommen, doch viel mehr Tiefe bekommt ihr Charakter dadurch nicht. Schöne Solo-Parts haben auch Hugh Maynard als John, dessen “Bui Doi” vielleicht sogar der musikalische Höhepunkt des Abends ist, und Rachelle Ann Go als Gigi, die “The Movie In My Mind” so wunderbar interpretiert, dass man sich mehr Songs von ihr wünscht.

Der unbestrittene Star der Aufführung ist aber Jon Jon Briones. Sein Engineer ist ein gieriger Opportunist, der alles dafür tun würde, um seinen “American Dream” wahr werden zu lassen. Er ist zu zwielichtig und skrupellos, um wirklich sympathisch zu sein, doch als Figur ist er angenehm dreidimensional. Briones bringt soviel Charisma und Energie in die Rolle ein, dass seine Soli herausstechen.

Bei allen Schwächen in Buch und Dramaturgie – optisch kann “Miss Saigon” überzeugen, nicht nur dank des Helikopters. Das Bühnenbild ist opulent und wandelbar und setzt sowohl auf realistische Elemente als auch auf markanten Symbolismus. Besonders die Tanzsequenz direkt nach dem Zeitsprung im ersten Akt, bei der das neue kommunistische Regime sich selbst feiert, ist gleichzeitig faszinierend und beängstigend: Blutrot und militärisches Blau, chinesische Drachen und wehende Fahnen. Hier wirken Choreographie, Kostüme und Ausstattung perfekt zusammen.

Nicht jedes Stück, das in den 90ern funktionierte, funktioniert auch heute, aber das ist nicht das Problem, mit dem “Miss Saigon” zu kämpfen hat. Es ist sicherlich kein Musical, was über die Jahre besonders gelitten hat und der historische Stoff macht es zumindest theoretisch zu einem Evergreen. Aber in Angesicht der schwachen, wenig glaubwürdigen Story kommt man nicht umhin, sich zu fragen, ob das Stück gegen Ende des letzten Jahrtausends nicht zu Recht eingemottet wurde.

 
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KREATIVTEAM
MusikClaude-Michel Schönberg
Buch / TextAlain Boublil
RegieLaurence Connor
Musical StagingBob Avian
Zusätzliche ChoreographieGeoffrey Garratt
KostümeAndreane Neofitou
Musikal. LeitungAlfonso Casado Trigo
 
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CAST (AKTUELL)
KimEva Noblezada
Tanya Manalang
EngineerJon Jon Briones
Christian Rey Marbella
ChrisChris Peluso
JohnHugh Maynard
EllenSiobhan Dillon
GigiMarsha Songcome
ThuySangwoong Jo
EnsembleDénise Baaij
Michael Carolan
Richard Carson
Natalie Chua
Callum Evans
Maria Graciano
Nathan Graham
Kurt Kansley
Sooha Kim
Kittiphun Kittipakapom
Aaron Lee Lambert
David Kar-Hing Lee
Michael Macalintal
Liam Marcellino
Kanako Nakano
Thao Therese Nguyen
Claire Parrish
Kiel Payton
Katherine Picar
Ariel Reonal
Romeo Salazar
Jon Reynolds
Eloisa Amalia Tan
Thao Vilayvong
Amadeus Williams
Gerald Zarcilla
Yuval Zoref
SwingsSimon Hardwick
Mitch Leow
Ethan Le Phong
Ela Lisondra
Saori Oda
Gavin Tsang
 
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CAST (HISTORY)
KimEva Noblezada [seit 03.05.14]
EngineerJon Jon Briones [seit 03.05.14]
ChrisAlistair Brammer [03.05.14 – 09.05.15]
Chris Peluso [seit 11.05.15]
JohnHugh Maynard [seit 03.05.14]
EllenTamsin Carroll [03.05.14 – 09.05.15]
Siobhan Dillon [seit 11.05.15]
GigiRachelle Ann Go [03.05.14 – 09.05.15]
Natalie Mendoza [11.05.15 – 12.12.15]
Marsha Songcome [seit 14.12.15]
ThuyKwang-Ho Hong [03.05.14 – 09.05.15]
Sangwoong Jo [ab 11.05.15]
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 03.05.2014 19:30Prince Edward Theatre, LondonPreview
Mo, 05.05.2014 19:30Prince Edward Theatre, LondonPreview
Di, 06.05.2014 19:30Prince Edward Theatre, LondonPreview
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