Viel Neues bringt die “Sweeney Todd”-Inszenierung der Schlossfestspiel Ettlingen nicht – das muss sie aber auch nicht! Mit einer angenehm bodenständigen Inszenierung und einem brillanten Ensemble gelingt Regisseur Udo Schürmer mit der Umsetzung des Sondheim-Klassikers ein kleines Highlight der Open-Air-Saison.
Allein schon die wehrhafte Barockarchitektur des Ettlinger Schlosses strahlt die passende Atmosphäre aus, wenn vor Beginn der Vorstellung die schrillen Tonfolgen von Stephen Sondheims Musicalthriller über die hohen Mauern des Innenhofs schallen. Wenn sich dann die Pforten öffnen, geben sie den Blick frei auf das eigentliche Bühnenbild: Wie schiefe Hexenhäuser ragen auf der Bühne schwarzgetünchte Bretterverschläge in die Höhe. Sie deuten die Fassaden des Viertels rund um die Fleet Street an. Große Szenenwechsel gibt es in dieser Inszenierung nicht, die Bühne von Steven Koop nutzt das Setzkastenprinzip: Je nach Szene öffnen sich mal am rechten Bühnenrand zwei kleine Balkons, um das Haus des Richters Turpin darzustellen oder es fungiert eine Lade auf der linken Seite als Pirellis Schaubühne oder als Irrenhaus. Die Mitte gibt den Blick frei auf Mrs. Lovetts Pastetenladen und Sweeney Todds Barbierstube, die beiden zentralen Spielorte. Auf eine übermäßige Ausstattung verzichtet man in Ettlingen und setzt mit wenigen Farbtupfern – etwa der Kachelwand in Mrs Lovetts renoviertem Lokal – umso wirkungsvollere Akzente in der kargen Bühnenlandschaft.
Die strengen viktorianischen Kostüme tragen zum Flair der Inszenierung bei, auch wenn man ihnen mühelos die Nähe zu Tim Burtons “Sweeney Todd”-Verfilmung ansieht. Vor allem Todd ist nah am Vorbild Johnny Depp gehalten.
Ein großer Sprung in Sachen Innovation ist die Ettlinger “Sweeney Todd”-Inszenierung sicherlich nicht. Udo Schürmer inszeniert Sondheims Musical handwerklich einwandfrei mit viel Liebe zum Makabren und abwechslungsreich gespielten Szenen, so dass keine Langeweile aufkommt.
Dabei stellt das Ensemble, das Schürmer in Ettlingen versammelt, einen entscheidenden Faktor dar. Selten findet sich eine Cast, die bis in die kleinsten Rollen derart exzellent besetzt ist. Fernand Delosch meistert die Titelrolle des Sweeney Todd sowohl schauspielerisch als auch gesanglich mit Bravour. Er legt den rachsüchtigen Barbier grollend und bedrohlich an, seine Anspannung – vor allem in den Rasur-Szenen – spürt der Zuschauer bis in die Haarspitzen. Gleichzeitig gelingt es ihm mühelos, die Brücke zum bösartigen Humor zu schlagen. Kongenial steht ihm Gudrun Schade als Mrs. Lovett zur Seite. Mit großer Lust und Laszivität spielt und singt sie sich durch den Abend und trumpft mit großartiger Mimik und treffsicher gesetzten Pointen.
Jon Geoffrey Goldsworthy ist als Richter Turpin eine regelrechte Traumbesetzung. Sein warmer Bass passt hervorragend zur schmeichelnden, hintergründig bösartigen Interpretation seiner Figur. Für große Lacher sorgen der ebenfalls gesanglich hervorragende Alexander S. Nikolic als operettenhafter Signore Pirelli und Thomas Schirano als Büttel Bamford. Ein große Kunststück gelingt Nikolaj Alexander Brucker: Aus der blassen Erscheinung des Anthony macht er einen tatsächlich liebenswerten Charakter. Auch wenn Bruckers Stimme anfangs ein wenig zu dunkel und kräftig für die Rolle scheint, gewöhnt man sich hier nur zu gerne um.
So ist die “Sweeney Todd”-Inszenierung der Ettlinger Schlossfestspielen nicht mehr und nicht weniger als ein leichter und unterhaltsamer Theaterabend auf qualitativ hervorragendem Niveau. Eine durch und durch beachtliche Leistung.
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Mehrere Begriffe ohne Anführungszeichen = Alle Begriffe müssen in beliebiger Reihenfolge vorkommen (Mark Seibert Hamburg findet z.B. auch eine Produktion, in der Mark Müller und Christian Seibert in Hamburg gespielt haben). "Mark Seibert" Wien hingegen findet genau den Namen "Mark Seibert" und Wien. Die Suche ist möglich nach Stücktiteln, Theaternamen, Mitwirkenden, Städten, Bundesländern (DE), Ländern, Aufführungsjahren...