Die einfachste Geschichte der Welt – Junge trifft Mädchen, sie verlieben sich, heiraten, streiten und trennen sich – wird in Jason Robert Browns Zwei-Personen-Musical in komplexer Erzählweise neu aufgerollt. Eine geschickt inszenierte Achterbahnfahrt der Gefühle mit zwei hervorragenden Akteuren und wunderbarer musikalischer Begleitung.
Wenn sich der Zuschauerraum in der Studiobühne des Theaters Lüneburg verdunkelt, werden über Einspielungen auf der Videoleinwand die beiden Protagonisten vorgestellt: Jamie (Kristian Lucas), Literaturstudent in New York, lernt 2008 die Schauspielstudentin Cathy kennen und lieben. Cathy (Anna Müllerleile), erfolglose Schauspielerin, wird 2013 nach fünfjähriger Beziehung von ihrem Ehemann Jamie verlassen.
Mit diesem dramaturgischen Schachzug setzt Regisseur Friedrich von Mansberg gleich zu Beginn den Rahmen für Jason Robert Browns Kammermusical und führt die zwei gegenläufigen Erzählebenen ein, ohne Verwirrung aufkommen zu lassen. Jamie erzählt die Geschichte vom Aufkeimen und Scheitern der Liebe in der chronologischen Reihenfolge, während Cathy ihre Sicht der Dinge rückwärts aufrollt, beginnend mit der Trennung.
Rollengemäß ist es Cathy, die von Anfang an die Sympathien der Zuschauer auf ihrer Seite hat: wir lernen sie kennen, wenn sie schluchzend erzählt “Jamie ist fort und er kommt nicht zurück”. Sie ist diejenige, die betrogen und verlassen wird, die neben dem Scheitern ihrer beruflichen Ziele auch das Ende ihrer Beziehung verkraften muss. Anna Müllerleiles bewegende Darstellung macht es einfach, sich in ihren Charakter hineinzuversetzen: ihr Schmerz ist ebenso ansteckend wie ihre überschäumende Freude in den Szenen zu Beginn ihrer Beziehung mit Jamie und diese Bandbreite ihrer Gefühle ist nicht nur in Müllerleiles Spiel sondern auch in ihrer Stimme präsent.
Obwohl die Rolle des Jamie zwiespältig ist, gelingt es Kristian Lucas, den jungen Mann auf der Überholspur, dessen Ehe irgendwann zwischen Alltag und ungleichem beruflichen Erfolg auf der Strecke bleibt, nie unsympathisch erscheinen zu lassen. Sein jugendlicher Enthusiasmus, sein aufkeimendes Unwohlsein über den raketenhaften Aufstieg als gefeierter Autor, sein Mitleid mit seiner erfolglosen Ehefrau, aber auch seine Frustration über ihre zunehmenden Stimmungsschwankungen – Jamies Beweggründe und Emotionen sind dank der überzeugenden Darstellung von Kristian Lucas stets nachvollziehbar.
Auch stimmlich sind beide Protagonisten bestens besetzt – Müllerleile und Lucas meistern die Tonsprünge und die nicht immer melodische Partitur mühelos und mit angenehmen Stimmen, denen man ebenso gerne zuhört wie dem kleinen Kammerorchester unter musikalischer Leitung von Urs-Michael Theus. Die Musiker sind gemeinsam mit den Akteuren auf der Bühne – etwas im Hintergrund – und sorgen für eine wunderbar einfühlsame, stimmige Untermalung.
Das Bühnenbild – ein stilisiertes Wohnzimmer – ist zweckgemäß und ausreichend, um den Rahmen für die Beziehungsszenen zu geben, ohne unnötig abzulenken. Auch wenn sich die Handlungsstränge von Cathy und Jamie nur einmal in der Mitte des Stückes bei Heiratsantrag und Hochzeit kurz treffen, stehen die beiden dennoch in den Szenen des jeweils anderen mit auf der Bühne und agieren. Dass der Zuschauer trotzdem nie den Überblick verliert, in welcher Zeitebene er sich gerade befindet, wird mit Hilfe von ganz einfachen optischen Veränderungen (Cathys Frisur und Kleidung sowie Jamies Brille) effektiv und clever sichergestellt. Auch die Videoleinwand, die zu Beginn die Charaktere vorgestellt hat, kommt noch einige Male zum Einsatz, um Szenen im Hintergrund wiederzugeben – hier wünscht man sich manchmal ein wenig mehr Konsequenz und eventuell auch eine häufigere Verwendung dieses Stilmittels.
Gerade weil die Inszenierung eine so angenehm klar ersichtliche Trennung der beiden Zeitebenen vornimmt, ist es um so bemerkenswerter und effektvoller, wenn sie diese Trennung ganz am Ende bricht: Cathy beginnt den Song “Mach’s gut bis morgen” – chronologisch angesiedelt nach ihrer allerersten Nacht mit Jamie – spielerisch, verliebt und voller Hoffnungen. Doch nachdem Jamie mit “Ich konnte nie dein Retter sein” das Ende ihrer Beziehung besiegelt hat, erreicht auch Cathy nach ihrer Reise in die Vergangenheit wieder das Hier und Jetzt und sing die letzte Strophe ihres Songs mit all der Verzweiflung und Trauer, die das Scheitern ihrer Träume mit sich bringt. Ein ergreifendes Ende einer rundum gelungenen Inszenierung.
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