Auch in Wetzlar punktet das Musical über die Anfänge der Menschheit von Christoph Drewitz mit einer lockeren, unterhaltsamen Inszenierung und zwei wunderbaren Hauptdarstellern. Die schwungvolle Musik von Marc Seitz und die kreativen Texte von Kevin Schroeder tun ihr Übriges für einen kurzweiligen Abend.
Die Vertreibung aus dem Paradies und der Brudermord stellen sicher nicht zwingend unterhaltsame Themen für eine bunte Abendunterhaltung dar – wenn sie aber so liebevoll und mit einem Augenzwinkern präsentiert werden, wie in der “Neu”-Inszenierung von Marc Seitz’ und Kevin Schroeders Musical über die Entstehung der Menschheit, spricht das für eine gelungene Interpretation des biblischen Stoffes.
Das Stück beginnt im Garten Eden, einem Paradies, welches Adam sich nach seinen Vorstellungen hergerichtet hat. Er verbringt seine Zeit mit Nichtstun und genießt dies in vollen Zügen. Die Bühne wurde perfekt in den Wetzlarer Lottehof integriert, nutzt Bäume für eine Hängematte oder ein Baumhaus, Details, wie eine Rutsche oder kleine tierische Mitbewohner aus Stoff, zaubern daraus eine Kulisse, die an Sonne und Strand erinnert. In dieses Idyll platzt die Forscherin Eva, nervt den Draufgänger mit ihrem nicht enden wollenden Redefluss, markiert Gegenstände mit Namensschildern und versucht alles zu analysieren, was ihr in die Quere kommt. Zu viel für Adam, er versucht, die Flucht zu ergreifen. Kurz vor der Pause entdecken die beiden den berühmten Apfel und läuten damit den Sündenfall ein, der nahtlos in den zweiten Akt überleitet. Für diesen wird die Bestuhlung des Zuschauerraums komplett gedreht und die Szenerie wechselt auf eine zweite Bühne, die durch ihre Einfachheit (Baum, Höhle, Burgmauer) besticht. Dies ist jedoch nicht störend, sondern passt zur etwas brachialeren Handlung des zweiten Teils. Kain und Abel werden in die Handlung integriert, man erfährt vom Brudermord und letztlich erfahren Adam und Eva, dass sie ohne einander nicht sein können, auch wenn sie sich von Zeit zu Zeit noch so sehr auf die Nerven gehen.
Ein schönes Finale für eine schön erzählte Geschichte, die es schafft, eine relativ simple, größtenteils lustige Geschichte ohne Kitsch und peinliche Wortwitze zu erzählen, und zwar auf allen Ebenen. Musik und Text bilden eine Einheit (Schroeders Texte brillieren mit Wortwitz und bleiben dabei ehrlich und immer oberhalb der Gürtellinie). Seitz’ Musik ist abwechslungsreich und stets auf die jeweiligen Szenen abgestimmt. Besonders im Ohr bleiben der spritzige Song “Meine kleine Hütte am Bach” und die wundervolle Ballade “Sterne im Regen”. Unter anderem gelingt es beim letzten Song dieser kleinen Inszenierung, still und heimlich das Publikum zu berühren, was letztlich das Schöne an diesem Abend ist. Immer wieder denkt man: Es muss nicht immer Großproduktion sein. Stark zu diesem Eindruck tragen die beiden Darsteller bei. Letztlich sind beide Hauptrollen perfekt besetzt, die Darsteller haben gute Stimmen und sind schauspielerisch ganz wundervoll in diesem Kammerstück. Anne Hoth merkt man ihre Erfahrung in Musicals wie “Tanz der Vampire” oder gerade “Sister Act” besonders bei den ruhigen, balladenhaften Songs an. Ihre Stimme hat Power, daher nimmt man ihr auch sofort die quirlige Eva ab (“Ich rede so gerne”). David Wehle als Adam hat seine stärksten Momente immer dann, wenn er das Publikum adressiert und aus den Tagebüchern vorliest. Er ist Schauspieler durch und durch, er lebt seine Rolle, hat eine starke Mimik, sowohl bei den komischen als auch bei den ernsten Szenen. Außerdem hat er eine angenehme Singstimme.
Der musikalische Leiter Martin Niklas Spahr und seine vierköpfige Band sitzen an der Seite der Bühne und sind mit Engagement bei der Sache. Eine junge Band, die die Musik spritzig und wohlklingend spielt.
Die Fäden zusammen hält Regisseur und Produktionsleiter Christoph Drewitz. Er leitet seine beiden Darsteller sicher durch das Stück, lässt sie niemals verloren wirken und nutzt die Gegebenheiten auf der Open-Air Bühne sinnvoll für die Erzählweise der Geschichte. Man merkt, dass ihm das Stück am Herzen liegt.
Das Schöne bei dieser Produktion ist es, dass man plötzlich bemerkt, wie einfach es sein kann, das Publikum zu berühren – weit ab vom Mainstream ist dieses kleine aber feine Musical ein Juwel, das man gerne öfter sehen würde.
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Nach dem Buch von Mark Twain
Musik von Marc Seitz
Buch und Liedtexte von Kevin Schroeder
Creative Development: Christian Struppeck & Andreas Gergen
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