David Jakobs (Judas) und Showgirls (Damen des Balletts) © © Heiko Sandelmann
David Jakobs (Judas) und Showgirls (Damen des Balletts) © © Heiko Sandelmann

Jesus Christ Superstar (2012 - 2013)
Stadttheater, Bremerhaven

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Eine der ältesten Geschichten der Welt im modernen Gewand. Dirk Böhling inszeniert in fesselnder Bildsprache, die allerdings gelegentlich die Handlung überdeckt.

Das Blut klebt an den Händen des Volkes. Während Jesus virtuell ausgepeitscht wird (die Hiebe sind nur auf der rückwärtigen Leinwand sichtbar), stürmen einzelne Gaffer hinter den aufgestellten Absperrgittern hervor und streifen ihre blutigen Hände am Körper des Geschundenen ab. Pontius Pilatus, ein aalglatter Fiesling in Uniform, triumphiert und erinnert in seiner finalen Ansprache in der Bühnenmitte an Adolf Hitler.

Starker Tobak, den Dirk Böhling mit seiner Inszenierung in wuchtiger und moderner Bildsprache dem Publikum vorsetzt. Mit der Folge, dass einige Zuschauer bereits in der Pause verschreckt das Theater verlassen. Mit dem Herauslösen der Christus-Passion aus ihrem zeitlichen Kontext polarisiert der Regisseur bewusst, verdeutlicht aber auch, dass es sich beim Leidensweg Christi um einen aktuellen Stoff handelt. Böhling zeigt das Martyrium eines jungen Mannes, der sein Leben lässt, weil eine Priester-Clique um ihren Einfluss fürchtet.

Mike Hahnes Einheits-Bühnenbild – ein rückwärtiger, antikisierter Säulengang-Zweigeschosser und davorgestellte Gestelle mit strassbesetzten Palmwedeln, verspiegelten Podesten und Leuchtquardern – erinnert an einen Club in der Disco-Ära, bildet aber einen passenden Rahmen für Böhlings Bilderflut der knalligen Effekte. Allerdings spielt in seiner Inszenierung – beispielsweise beim letzten Abendmahl – der Text manchmal eine untergeordnete Rolle. Auf der schicken Party mit einem als Tisch dienenden Kreuz, singt Jesus zwar vom Brot, doch scheint der Catering-Service selbiges vergessen zu haben: Die Jünger in ihren grünen Kapuzen-Sakkos mit „JC-Aufnäher” (Kostümbild: Mike Hahne) prosten sich ausschließlich mit gefüllten Sektkelchen zu.

Dafür punktet die Inszenierung im sich anschließenden Zwiegespräch Jesu mit Gott durch eine enorm eindringliche Darstellung. In dieser Szene erschüttert Martin Markert in der Titelrolle und zeigt ganz großes Theater. Mit seinem runden, vollen Tenor meistert er „Gethsemane” mühelos, kann seine Stimme ohne hörbare Anstrengung in die Kopfstimme schrauben und ist mit großer Bühnenpräsenz nahezu eine Idealbesetzung. David Jakobs als heißsporniger Judas ist ihm nahezu ebenbürtig. Jakobs sorgt mit seinem Gesang nicht nur in dieser (vielleicht etwas plakativ auf die Bühne gebrachten) Selbstmord-Szene für Gänsehautmomente. Beim einzigen, im englischen Original gesungenen Song („Jesus Christ Superstar”), führt er souverän das Ensemble an. Auch der dritte Gast auf dem Besetzungszettel, Olaf Plassa, ist mit seinem markigem, rabenschwarzen Bass als Pontius Pilatus gesanglich wie darstellerisch ein Glücksfall.

Doch auch das Bremerhavener Musiktheater-Ensemble braucht sich in dieser Produktion nicht zu verstecken. Der klangschöne Chor (verstärkt um Damen und Herren des Extrachores) singt sich wacker und mit großer Bühnenpräsenz durch die auch rhythmisch nicht einfache Lloyd Webber-Partitur. Glanzpunkte setzt aber vor allem Franziska Krötenheerdt als warmherzige und liebende Maria Magdalena. Ihr „Wie soll ich ihn in nur lieben?” gehört neben dem Duett mit Petrus (Peter Kubik) zu einem der musikalischen Höhepunkte des Abends. Das Ballettensemble zeigt vor allem in seinen Auftritten mit dem glücklicherweise nicht allzu clownesk gezeichneten Herodes (solide: Thomas Burger) Grazie und gekonnte Sprünge (Choreografie: Barbara Tartaglia).

Dirigent Volker M. Plangg müht sich dagegen mit dem um eine Rockband verstärkten, aber dennoch recht verhalten spielenden Städtischen Orchester. Vor allem die Bläser klingen in der Premiere wacklig. Im Zuge der Aufführungsserie dürfte sich der Klangkörper allerdings frei spielen und auch die Tontechnik sollte die Patzer des Premierenabends beheben können.

Die Inszenierung bringt das Zeitalter der Flachbildschirme auf die Bühne und so wird Christi Passion selbstverständlich sofort in bare Münze umgewandelt. Während Jesus noch am Kreuz hängt, halten seine Jünger, Maria Magdalena und die vom Regisseur dazu erfundene Pressesprecherin bereits die gedruckte und gebundene Fassung der Geschichte zum Verkauf hoch. Wenn dann der eiserne Vorhang mit den Kreuzen herabsinkt, herrscht im merklich bewegten Publikum betroffenes Schweigen.

Rockoper von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice

 
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KREATIVTEAM
InzenierungDirk Böhling
Musikalische LeitungVolker M. Plangg
AusstattungMike Hahne
ChoreografieBarbara Tartaglia
 
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CAST (AKTUELL)
Jesus von NazarethMartin Markert
Judas IschariotDavid Jakobs
Maria MagdalenaFranziska Krötenheerdt/Svetlana Smolentseva
Pontius PilatusOlaf Plassa
Simon Zelotes, HerodesThomas Burger
KaiphasAndrey Telegin
PetrusPeter Kubik
AnnasLukas Baranowski
1. PriesterGeza Frittmann
2. PriesterDaniel Dimitrov
3. PriesterKenneth Chan
Mädchen am FeuerKathrin Verena Bücher
SoldatVladimir Marinov
Alter MannDaniel Dimitrov
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 27.10.2012 19:30Stadttheater, BremerhavenPremiere
Fr, 02.11.2012 19:30Stadttheater, Bremerhaven
Fr, 23.11.2012 19:30Stadttheater, Bremerhaven
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