Gelungene Inszenierung des Elton-John-Musicals im Schlosshof von Ettlingen. Ohne großen Bühnenkitsch wird die Liebesgeschichte des ägyptischen Heerführers und der nubischen Prinzessin erzählt. Vor allem die kleinen emotionalen Momente können fesseln.
Nutzte man im vergangenen Jahr für “Rent” noch das Baugerüst am Ettlinger Schloß als Kulisse, so verschwindet alles unschöne Metallwerk für “Aida” hinter riesigen Stoffbahnen, die den blauen Himmel über Ägypten darstellen sollen. Auch auf der Bühne wird viel mit Stoff gearbeitet. Weiße Dreiecksgestelle verwandeln sich im Laufe der Vorstellung zu Segeln, Wänden oder Dekoration. Freistehende Säulen komplettieren das Bild und dienen – wo notwendig – als Träger für noch mehr Stoffbahnen. Das klingt zunächst einmal minimalistisch, erweist sich aber im Laufe des Abends in Kombination mit dem stimmungsvollen Licht als ausreichend. Nur wenige Requisiten reichen aus, um die Bühne abwechselnd in ein Museum, Radames’ Schiff, den Thronsaal oder das Gefangenenlager zu verwandeln. So sparsam, wie man bei der Bühnenausstattung ist, so bunt fallen teilweise die Kostüme aus. Einzig Radames und Zoser wirken da in ihren sehr schlichten, neuzeitlichen Kostümen etwas fehl am Platz. Die Modenschau-Sequenz “Mein Sinn für Stil” gerät schrill-bunt mit Faschingsnote, die “Models” unterstützen diesen Eindruck in ihrem Spiel. Keinen Gefallen hat sich die Kostümabteilung bei der Herrichtung der Nubier getan – hier wirken viele Kostüme eher wie zusammengekaufte Faschingskostüme für eine Bühnenadaption der Familie Feuerstein.
Ein großer Pluspunkt der Inszenierung sind die beiden Hauptdarstellerinnen Julia Gámez Martin als Aida und Dorothée Kahler als Amneris. Die beiden noch recht unbekannten Darstellerinnen füllen ihre Rollen vielschichtig aus und müssen sich so hinter keiner ihrer bekannteren Vorgängerinnen verstecken. Dorothée Kahler spielt zu Beginn des Stückes eine herrlich tussige Amneris, lässt aber immer wieder die nachdenkliche junge Prinzessin durchblitzen, so dass man ihr am Ende die Wandlung zur Herrscherin wirklich abnimmt. Ihre Amneris ist kein blondes Dummchen, das zur reifen Frau wird, sondern eine intelligente Person die mit ihrem Dasein bisweilen unterfordert ist und deshalb das oberflächliche Mäuschen gibt. Auch stimmlich weiß sie zu überzeugen und macht damit ihre Soli (“Mein Sinn für Stil” und “Die Wahrheit”) zu Highlights des Abends. Ihr Gegenüber ist Julia Gámez Martin als trotzige Aida, die ihr Temperament nicht zu zügeln weiß. Erst als sie Mereb (rollendeckend komisch bis tragisch: Daryll B. Smith) berichtet, wie sie durch ihre eigene Schuld gefangen genommen wurde, versteht man die Wut in ihr, die sich mehr gegen sich selbst, als gegen die Ägypter richtet. Trotzdem kommt ihre Verliebtheit gegenüber Radames zu plötzlich – das ist aber eher dem Buch, als der Darstellerin anzulasten. Im “Manteltanz” und in ihrem Solo “So einfach so schwer” überzeugt sie durch ihre Emotion, auch wenn dadurch nicht jeder Ton stimmt. Generell bringt Gámez Martin ihre Songs mit angenehmer und starker Stimme über die Rampe.
Der Schwächste im Dreiergespann der Hauptdarsteller ist Jesper Tydén. Er liefert eine routinierte Interpretation des Radames ab, doch leider nicht mehr. Vieles wirkt zumindest in der besuchten Vorstellung hölzern. Auch stimmlich hatte er am besprochenen Abend einige Probleme. “Durch das Dunkel der Welt” wird erst wirklich hörenswert, wenn Gámez-Martin mit einsteigt. Auch in “Einen Schritt zu weit” geht er neben den Damen vollkommen unter. Eine hoffentlich tagesformabhängige Schwäche. Allerdings macht auch die Tontechnik dem Ensemble das Leben schwer. Soloparts wie die von Aida und Nehebka (sehr überzeugend: Annnette Potempa) sind in “Die Sonne Nubiens” gegen den Chor nicht mehr zu hören und die Darsteller müssen sich zum Teil die Seele aus dem Leib singen. Lässt man diese technischen Probleme und die Formkrise des sonst so stimmgewaltigen Jesper Tydén außen vor, dennoch eine gelungene Produktion!
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