West Side Story (2012)
Großes Haus, Coburg

Leonard Bernsteins moderne Version von Romeo und Julia, welche 1961 mit Natalie Wood verfilmt wurde.

Manche Musicals sind mittlerweile so alt, dass es Sinn macht, über eine “historische Aufführungspraxis” nachzudenken. Nein, das ist kein Witz. Als die “West Side Story” 1957 herauskam, klang sie noch viel jazziger, als sie heute oftmals aufgeführt wird. Zum Glück gibt es eine Originalaufnahme dieser ersten Produktion, die heute als Grundlage für eine Neueinstudierung nicht unwichtig ist. Der progressive Jazz und die Macho-Mambos klangen damals etwas rauer, anders und trugen weniger Zuckerguss.
Den ließ schon Shakespeare weg, als er Romeo und Julia dramatisch verkuppelte. Ihm taten es Komponist Leonard Bernstein, Ideengeber und Choreograf Jerome Robbins sowie Autor Arthur Laurents nach, als sie die Streitereien der Capulets und Montagues in die Bronx verlegten. Aus den veronesischen Geschlechtern wurden die New Yorker Straßengangs “Jets” und “Sharks”. Bernstein, Robbins und Sondheim siedelten das Liebesdrama inmitten der Rassenkonflikte zwischen Weißen und Latinos an. Das legte nicht nur die Lunte an energiegeladene Tanznummern, sondern lieferte auch den Stoff, aus denen eigentlich die große Oper geschnitzt ist. Songs wie “Maria” oder “Somewhere” rühren uns wie Verdis Arien – womit wieder gefragt werden darf: Wie hören wir diese Musik heute? Sicher mit einem leisen Fingerschnippen und einem Tränchen im Auge. Das ist historisch wie menschlich nur allzu richtig.