Peter Schlönzke und Showgirls © © Mehr! Entertainment
Peter Schlönzke und Showgirls © © Mehr! Entertainment

Kein Pardon (2011 - 2012)
Capitol Theater, Düsseldorf

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Basierend auf Hape Kerkelings erstem Kinofilm aus dem Jahr 1993 bietet das Musical trotz dramaturgischer Mängel und durchschnittlicher Songs solide Unterhaltung. Großen Verdienst daran haben die gut aufgelegten Darsteller. Nach Thomas Hermanns und Achim Mentzel übernehmen von September bis zum Ende der Laufzeit im Dezember Roberto Blanco und Tetje Mierendorf in mehreren Shows pro Woche die Rolle des selbstverliebten Showmoderators Heinz Wäscher.

Gleich nach der Eurovisionshymne grüßt Hape Kerkeling himself. Zwar nicht live, aber zumindest von der Großleinwand vor der Bühne. Und nicht als er selbst, sondern als beschwipste Fernsehmoderatorin von Kanal 1. Es folgt eine kurze Ouvertüre, in der sich Melodien aus dem Musical fröhlich mit den Themen von TV-Show-Klassikern wie “Musik ist Trumpf” und “Die Pyramide” abwechseln. Ein kurzer Prolog, und wir sind mitten im Pott, in “Bottrop Beach”, wo der verklemmte Fernsehjunkie Peter Schlönzke zwischen Schalke-Fans und Schrebergarten sein einsames Dasein als Schnittchenschmierer fristet.

Fans der gleichnamigen Filmkomödie aus dem Jahr 1993 kommen im ersten Akt von “Kein Pardon” voll auf ihre Kosten. Viele Dialoge sind 1:1 aus dem Drehbuch von Hape Kerkeling, Angelo Colagrossi und Achim Hagemann übernommen, allen voran die kauzigen Schlagabtausche zwischen Opa, Oma und Mutter Schlönzke. Letztere hat ihren Sohn kurzerhand zum Talentwettbewerb beim Fernsehen angemeldet. Mit seiner engagierten Interpretation von “Biene Maja” kann er dort zwar nicht punkten, ergattert aber dennoch einen Job als Kabelhilfe in der Show “Witzigkeit kennt keine Grenzen”. Dort entpuppt sich Peters einstiges Idol, der Moderator Heinz Wäscher, hinter den Kulissen als übellauniger Choleriker.

Kerkeling und seine Mitautoren haben gut hingeschaut (und hingehört), als sie Charaktere wie die weinerliche Ruhrpott-Oma Hilma, den stets ergebenen Regisseur Bertram oder die unter Strom stehenden Redakteure Doris und Walter entwickelt haben. Trotz einer relativ erfolglosen Kinolaufzeit hat sich “Kein Pardon” deshalb über die Jahre zum Kultfilm gemausert. Entsprechend enthusiastisch werden im Capitol der Apparat für die persönliche Glücksmelodie und das Hundefutter “Batzen”, die kleine Nachwuchs-Sängerin Bettina und “Der Henne” wie alte Bekannte begrüßt. Dank der übersichtlichen Handlung dürften sich aber auch Theaterbesucher ohne filmische Vorkenntnis schnell im Kosmos der vielen Running Gags und Zitate zurecht finden, dem die Mediensatire ihre Beliebtheit verdankt. Nicht zuletzt unter Medienschaffenden selbst.

Aber funktioniert “Kein Pardon” auch als Musical? Zeitweise. Im ersten Akt kommt die Show zunächst gut in Fahrt. Achim Hagemann, Thomas Zaufke und Heribert Feckler haben sich musikalisch von der Stange bedient, aber immerhin sind ihre mal rockigen, mal poppigen, mal revueartigen Songs so eingebettet, dass sie die Handlung vorantragen. “Käffchen!” etwa, die Solonummer von Redaktionsassistentin Karin, umrahmt den Talentwettbewerb, das swingende “Im Fernsehland” begleitet Peters Einstand als Kabelträger. Dann beginnt die Dramaturgie in der Inszenierung von Alex Balga mehr und mehr zu bröckeln. Kurz vor dem Aktfinale lauert ein gewaltiger Bremsklotz in Form einer Publikumsinteraktion mit Warm-Upper Hardy Loppmann (Julian Button). Nach seinem Wutausbruch im Kostüm des Lustigen Glückshasen – dem eigentlich idealen Schlusspunkt für den ersten Akt – muss Peter dann den “Witzigkeit”-Titelsong mit den Damen vom Fernsehballet erst noch einmal als Polka, als Can-Can-Parodie und zum Mitschunkeln singen, bevor der Vorhang fallen darf.

Im zweiten Akt hält diese Abwärtstendenz an, aus verschiedenen Gründen. Das liegt erstens an Hans Peter Kudlichs Bühnenbild, dessen solides Herzstück eine zweiteilige Drehbühne bildet, die bis hierhin bereits das meiste von dem gezeigt, was sie zu Tage fördern kann. Zweitens an der Tatsache, dass sich die Handlung nun zunehmend von der Filmvorlage entfernt, es also fürs Publikum weniger wiederzuentdecken gibt. Drittens an den Songs, die den Handlungsfluss vehement hemmen. “Wild und Frei”, das gitarrenlastige Duett zwischen Peter und Tontechnikerin Ulla, tritt dramaturgisch genauso auf der Stelle wie der Titelsong “Kein Pardon” oder Opa Schlönzkes Ruhrpott-Hymne “Dat wär doch gelacht”.

Das wäre halb so schlimm, wenn wenigstens Thomas Herrmanns‘ Texte originell wären, doch das Gegenteil ist der Fall. Wenn Schnittchen-Peter plötzlich mit den Worten “Ich war null und nichtig / ein Lufthauch im All” über sein früheres Leben sinniert, wenn er sich gemeinsam mit Ulla in Plattitüden wie “Jetzt geht es los mit unserem Traum” und “Wie schnell das Schicksal uns verändert” verliert, dann wird klar deutlich, wo die “Witzigkeit” im Stück dann doch Grenzen kennt: Im Songtext. An kaum einer Stelle schafft es Hermanns, die Stimmung einer Szene oder die “Kauzigkeit” eines Charakters bruchlos in einen anknüpfenden Song zu transportieren. Am Ende bleibt kaum eine Textzeile, an die man sich wegen ihrer Pfiffigkeit oder Raffinesse erinnern will, außer vielleicht an die Lyrics zu Uschi Blums frecher Schlagerparodie “Nimm mich heut Nacht”. Aber die gab es schon im Film, sie stammen also nicht von Hermanns.

Dass man dem Stück bis zum konstruierten Zuckerguss-Finale samt “Das ganze Leben ist ein Quiz” dennoch insgesamt gewogen bleibt, hat zum Ersten sicherlich mit der Nostalgie zu tun, die das muntere Treiben im überdimensionalen Bühnen-Fernseher versprüht. Die Entwürfe von Kostümdesigner Mario Reichlin lassen ebenso wenig Zweifel aufkommen wie die Musikzitate von “Sandmännchen” bis “Tagesschau”: Wir befinden uns nicht in der heutigen Medienlandschaft, sondern irgendwo in den 1980ern, als Karl-Keinz Köpcke noch die Nachrichten las, in der Zeit der großen Fernsehshows. Auf den zweiten Blick ist “Kein Pardon” nicht bloß irgendeine Klamotte über Spießbürger aus dem Pott, sondern eine Retro-Show, die dazu noch ganz ohne Compilation auskommt.

Zweitens: Das Ensemble. Die Darsteller werfen sich mit Lust in den Klamauk, allen voran Enrico De Pieri (Peter Schlönzke) als liebenswerter Anti-Held im weißen Rollkragenpulli und Dirk Bach (Heinz Wäscher) als Showmaster, der “net arbeite” kann, wenn ihn “der Lustige Glückhase so blöd anstiert”. Bachs komödiantisches Timing ist hervorragend, und wenn sein hessischer Dialekt auch etwas aufgesetzt klingt: Sein Gebabbel um das fehlende “Briefsche” in dem “Körbsche” des Glückshasen ist genauso sehenswert wie sein Abschiedssong “Lass Heinz ran!” Schade, dass seine Uschi Blum nur mit Fistelstimme singt.

Wenn Verena Plangger als Oma Schlönzke von ihren nächtlichen Bollerwagen-Fahrten im Krieg jammert, bleibt kein Auge trocken. Wolfgang Trepper nörgelt sich als Opa Schlönzke durch den Abend, Iris Schumacher gibt ihr bestes, gegen Peters Film-Mutter Elisabeth Volkmann anzuspielen und ihre Tränendrüsen-Songs im zweiten Akt mit Würde zu absolvieren. Ex-Valjean Reinhard Brussmann, der als Regisseur Betram seine Moderatoren umgarnt, wünscht man sehnlichst mehr Songs. Claudia Dilay Hauf macht als Käffchen-Karin einen guten Job, während Tobias Bode und Susanna Panzner als verklemmter Walter und ketterauchende Doris erstaunlich blass bleiben. Unbedingt erwähnenswert dagegen ist Heike Schmitz, die Tante Irmgard und diverse kleine Rollen (wie die Mutter der kleinen Bettina) mit viel Herzblut und Ruhrpottschnauze gestaltet.

Roberta Valentini hat dagegen die undankbarste Rolle von allen. Sie spielt Ulla, die Tontechnikerin, einen vom Buch völlig vernachlässigten Part. War Ulla im Film noch ganz klar Peters Freundin, ist sie im Musical nur noch “eine” Freundin. Sowohl ihr Klingelton-Tick als auch ihr Esoterik-Spleen werden nur kurz angedeutet. Ulla darf ein paar emanzipierte Sprüche aufsagen, Liedtexte wie “Mein Leben ist wie ein Klang / ich tanz die ganze Tonleiter lang” singen und dann flugs zum BBC-Praktikum nach London entschwinden. Kurzum: Ulla ist zur Randnotiz verkommen, Valentini hoffnungslos unterfordert.
“Kein Pardon” mag nichts für den Musical-Zenit sein, dazu ist es handwerklich und dramaturgisch zu unausgereift, dazu fehlt dem Stück in den Musiknummern das Augenzwinkern und ein Texter vom Format eines Heiko Wohlgemuth. Aber: Die Show ist, dank Kerkelings Gags und tollen Hauptdarstellern, kurzweiliges Musiktheater – und eine Reminiszenz an die goldenen Ära der Fernsehunterhaltung. Der Henne fänd’s gut.

Nachtrag vom 14. September 2012:
Kurz vor Ende der Düsseldorfer Spielzeit hat Tetje Mierendorf die Rolle des Heinz Wäscher übernommen. Nein, Mierendorfs stärkste Musicalrolle ist es nicht: Seltsam deplatziert wirkt er, während er in seinem Moderatoren-Glitzeranzug hörbar mit Wäschers hessischem Dialekt kämpft. In vielen Szenen – etwa bei seinem Glückshasen-Ausraster vor laufender Kamera – fehlt ihm das Quentchen Exaltiertheit, mit dem Dirk Bach Wäschers cholerische Anfälle voll auszureizen wusste. Erst mit dem Showstopper “Ruf Heinz an” gelingt es ihm, ein Publikum wachzukitzeln, das längst nicht mehr so enthusiastisch den bekannten Filmpointen entgegenfiebert wie die Zuschauer zu Beginn der Spielzeit – und anders als die eingefleischten Fans kein Pardon kennt, wenn die unausgereifte Show-Dramaturgie und manche Schwächen in der Besetzung den Abend unnötig ausbremsen. (mfr)

 
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KREATIVTEAM
IdeeHape Kerkeling
Idee und BuchThomas Hermanns
MusikAchim Hagemann
Zusätzliche SongsThomas Zaufke
Musikalische LeitungHeribert Feckler
RegieAlex Balga
ChoreografieNatalie Holtom
BühneHans Peter Kudlich
KostümeMario Reichlin
LichtdesignAndrew Voller
SoundesignRiccardo van Krugten
 
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CAST (AKTUELL)
Peter SchlönzkeEnrico De Pieri,
(Thomas Hohler
Benjamin Sommerfeld)

Heinz WäscherRoberto Blanco
Tetje Mierendorf,
(Heinz-Peter Lengkeit
Reinhard Brussmann
Carlo Lauber
Paul Kribbe)

UllaJana Stelley,
(Julia Waldmayer
Julia Lißel)

Mutter SchlönzkeIris Schumacher,
(Susanna Panzner
Nicole Rößler [Dezember 2012]
Heike Schmitz
Christiane Reichert)

Oma SchlönzkeVerena Plangger,
(Petra Welteroth
Heike Schmitz)

Opa SchlönzkeWolfgang Trepper
Heinz-Peter Lengkeit,
(Carlo Lauber)
BertramReinhard Brussmann,
(Julian Button
Timo Ben Schöfer
Gerhard Fehn)

Hardy LoppmannJulian Button,
(Wolfgang Schwingler
Björn Klein)

WalterTimo Ben Schöfer,
(Wolfgang Schwingler
Björn Klein)

DorisNicole Rößler,
(Claudia Dilay Hauf
Fabienne Hesse [Dezember 2012]
Heike Schmitz
Christiane Reichert)

KarinFabienne Hesse,
(Esther Mink
Veronique Spiteri [Dezember 2012]
Janine Buck)

Tante Irmgard / Bettinas MutterHeike Schmitz,
(Kim-Deborah Tomaszewski
Janine Buck
Christiane Reichert)

EnsembleAnnika Firley
Luise Helbig
Julia Lißel
Veronique Spiteri
Kim-Deborah Tomaszewski
Julia Waldmayer
Arne David
Thomas Hohler
Adriano Sanzo
Wolfgang Schwingler
Benjamin Sommerfeld
Eveline Gorter
SwingsJanine Buck
Anke Merz
Tom Dewulf
Björn Klein
Richard Patrocinio
Sophie Blümel
Walk-In-CoverPetra Welteroth
Gerhard Fehn
Frank Bahrenberg
Christiane Reichert
Carlo Lauber
Paul Kribbe
 
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CAST (HISTORY)
Heinz WäscherDirk Bach [11 + 12/2011 sowie 03 + 04/2012]
Thomas Hermanns [05 + 06/2012]
Achim Mentzel [06 + 07/2012]
UllaRoberta Valentini [-05/2012]
WalterTobias Bode [-09/2012]
DorisSusanna Panzner [-11/2012]
KarinClaudia Dilay Hauf [-11/2012]
EnsembleMaria Einfeldt
Esther Mink
Luciano Mercoli
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 29.10.2011 19:30Capitol Theater, DüsseldorfPreview
So, 30.10.2011 18:30Capitol Theater, DüsseldorfPreview
Mi, 02.11.2011 18:30Capitol Theater, DüsseldorfPreview
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