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Spring Awakening (2010 - 2011)
The English Theatre, Frankfurt am Main

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Ryan McBryde inszeniert die deutsche Erstaufführung von “Spring Awakening” gefühlvoll und stringent. Er kopiert nicht die vorherigen Inszenierungen, sondern erschafft eine eigene Interpretation, die in ihrer Qualität mit den Vorgängern durchaus mithalten kann.

Mehrere Jahre lang hat man sich am English Theatre um die Rechte bemüht, nun konnte in Frankfurt die Deutschlandpremiere von Spring Awakening gefeiert werden. Zu sehen gibt es keine Kopie der vorherigen Inszenierungen aus den USA, England und Österreich, sondern eine eigene Version unter der Regie von Ryan McBryde.

Eine riesige Schultafel erstreckt sich über die gesamte Breite der Bühne sowie die Bühnenaufgänge, über und über beschrieben mit Lernstoff: Mathematik, Literatur, menschliche Anatomie, Latein – all das und noch mehr findet sich auf der Kulisse wieder und überragt buchstäblich die Charaktere wie auch die Zuschauer haushoch. Der untere Teil dieser Wand lässt sich nach vorne verschieben, mehrere Türen und Luken darin nach Belieben öffnen, sodass die Darsteller sich sowohl auf als auch in der Tafel bewegen können. Zusätzlich zu diesem Bühnenbild (Diego Pitarch) braucht es nun nur noch ein paar Schulbänke, Stühle und eine große Stehleiter, dann entstehen durch deren Einsatz die unterschiedlichsten Handlungsorte: Vom Klassenraum über die verschiedenen Kinderzimmer oder eine Waldlichtung, bis hin zu dem für Wendla und Melchior so schicksalshaften Heuboden und dem Friedhof. Und Kreide gibt es, viel Kreide! Die Darsteller überschreiben damit den Lernstoff an der Wand mit den Begriffen, die sie wirklich beschäftigen. Sie malen damit wie spielende Kinder auf den Boden, bekommen sie an ihre Kostüme, werfen sie in die Luft und pusten sie von ihren Büchern, und machen sie damit im Stück genauso omnipräsent wie es das leistungsorientierte Schulsystem und die strenge Sexualmoral der Zeit sind.

Gespielt und gesungen wird im English Theatre natürlich auf Englisch, davon sollte sich aber niemand abhalten lassen, die Inszenierung zu sehen, denn die Darsteller sind allesamt Muttersprachler und sprechen ein sehr klares und gut verständliches Bühnenenglisch – davon abgesehen erschließt sich die Handlung des Stückes auch sehr leicht durch die mise-en-scène und nicht zuletzt durch das ausdrucksstarke Spiel der sehr jungen Cast. Die meisten der Darsteller sind knapp unter oder über 20 und für viele von ihnen ist es das erste Engagement nach ihrem Abschluss, aber alle sind sie mit großer Professionalität, Energie und Spielfreude dabei und liefern eine hervorragende Ensembleleistung ab.

Devon-Elise Johnson spielt Wendla sehr natürlich und nuanciert, und macht damit die Rolle zu einer vielschichtigen, interessanten Person. Greg Fossard (Moritz) meistert den Übergang von einer eher komödiantischen Rolle zu Beginn des Stückes hin zu einer tragischen Figur nahtlos, Craig Mather überzeugt in der Rolle des Melchior als aufgeklärter junger Freidenker, könnte im zweiten Akt aber noch ein wenig mehr Biss vertragen, damit seine Figur nicht schon vor der Friedhofsszene zu viel Kraft verliert. Lobend zu erwähnen sind vor allem auch die Darsteller der erwachsenen Rollen: Jane Stanton und Matthew Carter wechseln zwischen ihren Parts scheinbar mühelos hin und her und verleihen jedem davon eine eigene Note, sodass man kaum glauben mag, jedes Mal die gleiche Person vor sich zu haben.

Die Personenregie legt viel Wert auf die charakterlichen Nuancen vor allem der drei Hauptpersonen Melchior, Moritz und Wendla in ihrem Umgang mit ihrer Umwelt und ihren Mitmenschen. Eine starke Konzentration auf die Beziehung zwischen Melchior und Wendla ist spürbar, dafür ist die zwischen Moritz und Melchior wenig ausgearbeitet, es wird nicht ganz klar, wie sie zueinander stehen. Die meisten Nebenfiguren haben einige Songs/Szenen, in denen sie ebenfalls ihr Inneres offenbaren können. Sowohl die komödiantischen als auch die ernsthaft-tragischen werden glaubwürdig und mit Feingefühl in Szene gesetzt, sodass diese Personen nicht nur Stichwortgeber für die drei Hauptfiguren sind, sondern zu eigenständigen Charakteren mit eigenen Problemen, Sorgen, Nöten und Ängsten werden.

Die Songs sind in „Spring Awakening” nicht handlungstragend, sondern dienen als Ausdruck der Gefühle der Charaktere, als eine Art innerer Monolog. In früheren Inszenierungen machte man sie deshalb größtenteils zu rockigen Performances, unterstützte sie durch buntes Licht und Handmikrophonen für die Darsteller. Auf diese Regiemittel wurde in Frankfurt verzichtet – die Darsteller spielen und singen mit ihren Mikroports und David Howe hat ein durchweg stimmiges, unaufdringliches Lichtdesign geschaffen. Die Darsteller leisten allesamt sehr gute gesangliche Leistungen, ausgemachte Rockstimmen sucht man in Frankfurt jedoch vergeblich. Stattdessen legt man Wert auf die Interpretation und den Ausdruck des jeweiligen Songs. Etwas verloren geht dadurch allerdings der Symbolcharakter der Rockmusik für jugendliche Rebellion, kommt nur an wenigen Stellen deutlich zum Vorschein (z.B. in „Totally Fucked”). Ohne Handmikrophon haben die Darsteller dafür aber mehr Spielfreiheit, um ihre Körper als Ausdrucksmittel zu benutzen, oder auch für die kraftvollen Choreographien von Drew McOnie, in denen die verschiedensten Gefühle von Angst über Verwirrung bis hin zu Ärger ausgedrückt werden.

Alles in Allem haben Kreativteam und Cast in Frankfurt eine Aufführung gezeigt, die andere Wege einschlägt als es in den Vorgängerversionen in New York, London und Wien der Fall war, die sich aber qualitativ vor diesen keineswegs zu verstecken braucht. Sie ist nicht besser oder schlechter als diese Versionen, sie findet ganz einfach einen anderen Zugang zu der Vorlage von Duncan Sheik und Steven Sater, und geht auf eine eigene, kreative Weise damit um.

 
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CAST (AKTUELL)
MoritzGreg Fossard
WendlaDevon-Elise Johnson
MelchiorCraig Mather
MarthaTanya Shields
Ilse & TheaNatalie Garner
Hanschen & EnsembleDaniel Ellison
Otto & EnsembleMatt McGoldrick
Ernst & EnsembleGareth Mitchell
Georg & EnsembleAntony Irwin
Anna & EnsembleLizzi Franklin
Male AdultMatthew Carter
Female AdultJane Stanton
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Fr, 12.11.2010 19:30The English Theatre, Frankfurt am MainPremiere
Sa, 13.11.2010 19:30The English Theatre, Frankfurt am Main
So, 14.11.2010 18:00The English Theatre, Frankfurt am Main
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