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In Martin Schülers werkgetreuer Inszenierung des Schauer-Musicals über das nach und nach außer Kontrolle geratende Experiment, das Gute vom Bösen in der menschlichen Seele zu trennen, brilliert ein herausragender Hardy Brachmann in der persönlichkeitsgespaltenen Titelrolle.
Den Bischof erwischt es in der Wanne. Der unter dem Einfluss der Droge “JK 7” stehende Dr. Jekyll beseitigt als mordender Hyde seinen ersten Widersacher aus dem Krankenhaus-Vorstand, indem er ihn im mit üppigem Schaum bekrönten Wasser ertränkt. Dabei wollte der Kirchenmann hier mit Nellie planschen, die Martin Schüler in seiner Inszenierung als Transvestit umdeutet. Auch an ihrem Hauptarbeitsplatz, der “Roten Ratte”, sind nicht alle leicht bekleideten Damen das, was sie vorgeben zu sein. Der Regisseur ignoriert den nur auf den zweiten Blick erkennbaren, höheren Herren-Anteil beim lasziven Auftritt des Ballett-Ensembles in “Schafft die Männer ‘ran” (choreografische Mitarbeit: AnnaLisa Canton) jedoch komplett. Um das klagende “Mädchen der Nacht” von Nellie, Lucy und den Mädchen schummelt er sich gekonnt herum, indem er es streicht.
Dabei hätte Schülers werkgetreuer, manchmal etwas hausbacken geratener Inszenierung etwas frischer Wind ganz gut getan. Der Regisseur arrangiert die blutrünstige Schauer-Story stimmig, gut nachvollziehbar und ohne Mätzchen, überlässt seine Darsteller jedoch oft sich selbst. So singen zum Beispiel Jekyll und Lisa ihr Duett “Nimm mich wie ich bin” mit wenig Bezug zueinander in armausbreitenden und händeringenden Musiktheater-Posen am vorderen Bühnenrand frontal ins Publikum. Unter dem fehlenden Musical-Staging leiden vor allem die rhythmisch sehr intensiven Ensemble-Nummern “Fassade” und “Mörder”, die der als Menschenmasse geführte Opernchor des Staatstheaters eher lustlos und textlich unverständlich vorträgt.
Das üppige Kostümbild (Nicole Lorenz) und der mit wenigen, stimmungsvollen Versatzstücken und Möbeln dekorierte schwarze Bühnenraum (Gundula Martin) fangen das England des victorianischen Zeitalters gut ein. Eine wahre Augenweide ist Dr. Jekylls Labortisch, auf dem wie in einer Hexenküche geheimnisvoll schimmernde Substanzen brodeln, Dampf aus bizarr gekrümmten Rohren quillt und der ein oder andere Blitz zuckt. Allerdings stören die wegen der vielen Szenenwechsel erforderlichen, geräuschvollen Umbauten die vor dem herabgelassenen schwarzen Zwischenprospekt gesprochenen Dialoge empfindlich.
Das Staatstheater Cottbus ist in der luxeriösen Lage, die Titelpartie alternativ mit zwei hauseigenen Sängern zu besetzen. In der besuchten Vorstellung waren jedoch beide indisponiert. Hardy Brachmann erklärte sich trotz einer Erkältung bereit, aufzutreten und wurde nicht nur deshalb beim Schlussapplaus vom Publikum stürmisch gefeiert, denn mit seiner eindringlichen, facettenreichen Jekyll/Hyde-Interpretation fesselt er von der ersten Minute an. Brachmann gibt auf der einen Seite einen sympathischen und zielstrebigen Forscher, der mit zunehmender Dauer seiner Experimente mit dem persönlichkeitsspaltenden Elixier wie ein Abhängiger zu Grunde geht. Mit wilder Zottelmähne mutiert dieser Jekyll zum schnaufenden Mörder-Monster Hyde, das Brachmann mit rauerer Stimme furchteinflößend anlegt. Sein voller Tenor gleitet mal elegant, dann wieder brutal durch die Partitur und klingt erst bei der “Konfrontation” angestrengt und ausgelaugt. Ein Umstand, der auf die angeschlagene Gesundheit des Sängers zurückzuführen ist.
Aus der restlichen, sehr soliden Besetzung ragt der einzige Gast der Produktion, Camilla Kallfaß, heraus. Ihre Lucy ist weniger eine geschäftstüchtige Hure, dafür aber ein zerbrechliches, liebesbedürftiges Geschöpf, das sich in den sympathischen Jekyll verguckt. Kallfaß‘ Sopran entfaltet sich vor allem in den lyrischen Szenen (“Ein neues Leben”) zu voller Pracht, harmoniert aber auch in “Gefährliches Spiel” mit ihrem Duettpartner Brachmann. Als Gegenspielerin in der Gunst um Jekyll wirkt Cornelia Zink optisch sehr viel reifer, was sie auch stimmlich mit ihrem klassisch ausgebildten Sopran unterstreicht. Die etwas undankbarere Rolle der Lisa gestaltet Zink dennoch nie zu opernhaft, ihr inniges “Da war einst ein Traum” gehört mit zu den musikalischen Höhepunkten in der Vorstellung. Auch wenn sie eher begleitende Funktion mit wenig solistischer Entfaltung haben: Marc Niemann und seine Musiker des Philharmonischen Orchesters fühlen sich in Wildhorns Partitur hörbar wohl.
Für die Bühne konzipiert von Steve Cuden & Frank Wildhorn
Buch und Liedtexte von Leslie Bricusse / Musik von Frank Wildhorn
Orchestrierung von Kim Scharnberg / Arrangements von Jason Howland
Deutsch von Susanne Dengler und Eberhard Storz
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Marc Niemann |
Inszenierung | Martin Schüler |
Bühnenbild | Gundula Martin |
Kostüme | Nicole Lorenz |
Choreografische Mitarbeit | AnnaLisa Canton |
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CAST (AKTUELL) |
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Dr. Henry Jekyll/Edward Hyde | Hardy Brachmann/Heiko Walter |
Lucy Harris | Camilla Kallfaß |
Sir Danvers Carew | Jörg Simon |
Lisa Carew | Gesine Forberger/Cornelia Zink |
John Utterson | Andreas Jäpel, (Alexander Voigt) |
Simon Stride | Ingo Witzke |
Sir Archibald Proops | Matthias Bleidorn |
Lord Glossop | Siegfried Wallendorf |
Lord Savage | Hans Anacker |
Der Bischof von Basingstoke | Dirk Kleinke |
Lady Beaconsfield | Carola Fischer |
Nellie | Thorsten Coers |
Pfarrer | Thorsten Coers |
Poole | Sebastian-A. Bütow |
Bisset | Thomas Pöschel |
Spider | Mauri Vilkama |
Prostituierte, Passanten | Damen Herren des Ballettensembles |
Bewohner Londons (Aristokraten, Volks, Gäste, Kunden) | Damen Herren des Opernchores |
Vater von Dr. Jekyll, Polizisten, Krankenschwestern | Statisten |
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GALERIE |
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