Von dieser Produktion haben wir leider keine Fotos
Von dieser Produktion haben wir leider keine Fotos

Edgar Allan Poe (2009 - 2011)
Bühnen, Halle (Saale)

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Großer Aufwand, schwaches Ergebnis. Beim an der Oper Halle uraufgeführten Biografie-Musical von Eric Woolfson begeistert allein die Ausstattung von Christoph Weyers. Weder das schlüssige Regie-Konzept (Frank Alva Buecheler) noch die engagierten Darsteller können die Show retten.

Eine monströse schwarze Silhouette mit blutrot leuchtenden Augen schiebt sich in wabernden Nebelschwaden bedrohlich aus dem Bühnenhintergrund auf die Zuschauer zu. Was auf den ersten Blick an Godzilla erinnert, entpuppt sich als Riesen-Rabe, der mit einem Krächzer seine Flügel über den am vorderen Bühnenrand liegenden toten Poe schwingt.

Bereits im Prolog trägt der Autor den Vogel im schwarzen Bauer herein, leitmotivisch taucht er dann in unterschiedlichen Farben und Größen im gesamten Musical auf. So zum Beispiel in der Traumsequenz, in der Poe seiner großen Liebe Elmira zum ersten Mal begegnet und sich seine tote Mutter vom Grabstein erhebt. Hier sind Käfig und Rabe strahlend weiß. In knalligem Rot wird er zwischen Fähnchen und T-Shirts im mobilen Fanartikel-Stand auf der Bühne verscherbelt und wenn der der Alkoholsucht verfallene Dichter den Korken vom Hochzeitsgeschenk seines Gegenspielers ploppen lässt, krächzt es unheilvoll aus dem Lautsprecher. Im Hintergrund erhebt sich drohend der Vogel, selbstverständlich in der schwarzen Schicksalsvariante.

Ein biografisches Stück über einen Autor, der vor allem mit Mystik und Gruselgeschichten bekannt geworden ist, braucht genau diese Umsetzung. Regisseur Frank Alva Buecheler verknüpft nicht nur das Gedicht vom Raben optisch mit Poes Schicksal, sondern lässt bedeutungsschwanger ein Pendel aus einer anderen Poe-Kurzgeschichte über dem Geschehen schaukeln oder den mordenden Orang-Utan auf der Bühne Angst und Schrecken verbreiten. Dies alles verpackt der Regisseur in eine opulente Bildsprache, für die Ausstatter Christoph Weyers einen ausgesprochen sehenswerten Rahmen geschaffen hat. Sein schnell wandelbares Bühnenbild besteht aus mit Handschriften verzierten mobilen Wänden, die sich wie Seiten aus einem Pop-Up-Bilderbuch aufklappen lassen. Gemeinsam mit einigen Versatzstücken und Anke Tornows Video-Projektionen entstehen immer neue, teilweise überraschend schöne Spielräume (Friedhofsszene). Auch bei den Kostümen schöpft Weyers aus dem Vollen und hat neben geschmackvoller Bekleidung des Amerikas der 19. Jahrhunderts auch sehr kleidsame, skurrile Roben für die Traumsequenzen entworfen.

Dennoch scheitert die Musical-Biografie des Edgar Allan Poe. Wer sich nicht eingehend mit der selbst im Programmheft recht verwirrend beschriebenen Handlung beschäftigt hat, der hat Probleme, sich im Stück zurecht zu finden. Zu viele Personen lassen Eric Woolfson (Buch) und John Havu (dramaturgische Mitarbeit) mit nur Kurzauftritten durch eine Handlung geistern, in der Realität, Poe-Werke und (Rauschmittel-)Träume ineinander greifen. Choreograf Jaroslav Staniek verpasst der in der besuchten Vorstellung nicht sehr synchronen Ballett-Truppe moderne Tanztheater-Choreografien mit schnellen Hebefiguren und einem insgesamt sehr eckigen Bewegungsrepertoire. In einigen Szenen bewegen die Tänzer wie zum Gesang die Lippen, während die textunverständlichen Choristen wie in Trance ihre Arme vor dem Körper verrenken. Am sichersten wirken diese Sänger, wenn sie wie in der sehr bieder inszenierten Hochzeitsszene das Geschehen dekorativ kommentieren dürfen. Um den riesigen personellen Aufwand überhaupt stemmen zu können, sind viele der kleinen Rollen mit Chormitgliedern besetzt. Allerdings haben nur Sebastian Byzdra (Poe, Anfang 20) und Susan Krecik (Elmira Royster) mit dem Duett “Geblendet vom Licht” auch die Chance, ihr stimmliches Können unter Beweis stellen zu dürfen.

Den Titelhelden gibt Björn Christian Kuhn als rastlosen Mann, der im Laufe des Stücks immer neue Seiten an sich entdeckt. Kuhn ist Jäger und Gejagter, Genie und Wahnsinniger. So zerrissen diese Figur ist, so uneinheitlich wirkt auch Kuhns Gesangsleistung. Die Hymne “Irgendwo im Publikum” gestaltet er als tragische Anklage an die Welt, im Duett mit Maryam El-Ghussein (Elmira Royster Shelton) führt er das schmachtend-schönes Liebeslied zum gesanglichen Höhepunkt der Aufführung. In anderen Songs klingt Kuhns Stimme eigenartig matt, im Falsett sogar quietschig. Evita Komp als Poes schwindsüchtige Ehefrau Virginia leidet sich durch ihre Auftritte, kann kurz vor ihrem Bühnentod jedoch mit dem schmissigen “Mein teuflischer Mann” stimmlich punkten.

Vorlagenbedingt erhält Gerd Vogel wenig Raum, Poes Gegenspieler Reverend Rufus Griswold als eigenständigen Charakter zu gestalten. Seine Auftritte sind meist kurz, seine Songs wie das aus scheinbar einer Barockoper stammende “Dafür braucht es kein Genie” sind es auch. Im sinfonisch untermalten “Der Mensch ist ein Narr” kann Vogel seinen satten Bass schön zur Geltung bringen und erfreulicherweise erklingt dieser Song im zweiten Akt als Reprise. Auch Joana-Maria Rueffer (Elizabeth Poe) darf ihr Wiegenlied-Solo zwei Mal mit klassisch geschultem Opernsopran vortragen. Ein Ärgernis ist Andreas Mannkopff, der egal in welcher seiner vielen Rollen er gerade auf der Bühne steht, jedes Mal schablonenhaft den leicht trotteligen Opa gibt. Wenn Mannkopff in “Wenn der Zug nicht rollt” mit sonorer Stimme versucht, zu rappen, dann legt er den mit Abstand peinlichsten Auftritt der Show hin. In der besuchten Vorstellung versagt in diesem Moment auch Dirigent Michael Stolle, der Bühne und Orchester rhythmisch nicht in Einklang bringen kann.

Warum ist das “Edgar Allan Poe”-Musical kein großer Wurf? Es liegt ganz eindeutig an einem dramaturgisch wirren Buch, aber auch an Eric Woolfsons Musik-Mix, in dem vieles wahllos zusammengerührt ist: Melodiöser Pop, Gitarren-Rock, Oper und klassisches Musical, wobei einige Songs an Passagen von Wildhorn, Webber oder Bernstein erinnern. Wenn Poe im Finale an einer weißen Scheibe hängend ausruft “Ich bin unsterblich”, dann gilt das leider auf keinen Fall für dieses Musical.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Buch, Musik und SongtexteEric Woolfson
Deutsche ÜbersetzungDaniel Call
Dramaturgische MitarbeitJohn Havu
InszenierungFrank Alva Buecheler
Musikalische LeitungVolker M. Plangg/ Michael Stolle
ChoreografieJaroslav Staniek
Bühne und KostümeChristoph Weyers
VideoprojektionenAnke Tornow
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Edgar Allan Poe
(30
40 Jahre alt) – Björn Christian Kuhn
Edgar Allan Poe
(Anfang 20)
Sebastian Byzdra
Edgar Allan Poe
(8 Jahre alt)
Leopold Krannich/ Leo Rosenhauer/ Ole Sievers
Reverend Rufus Griswold – Gerd Vogel
Reynolds, Assistent GriswoldsEmanuele Peters
Hansjörg Zäther
Virginia Clemm, Poes erste Ehefrau – Evita Komp / Katharina Eirich
Caroline Griswold, geb. Searles, Griswolds erste EhefrauAngela Götze
Charlotte Griswold, geb. Myers, Griswolds zweite EhefrauSylvain Guillot
Mr. White, VerlegerAndreas Mannkopff
Stanisláw Brankatschk
Augustin DupinAndreas Guhlmann
Orang UtanVicor-Florin Pop
John Allan, Ziehvater PoesAndreas Mannkopff
Stanisláw Brankatschk
Frances Allan, dessen FrauSabine Grimm
Elizabeth Poe, Mutter von Adgar AllanJoana-Maria Rueffer
Gabriele Bernsdorf
Elmira Royster, Jugendliebe PoesSusan Krecik
Elmira Royster Shelton, WitweMaryam E-Ghussein
Mr. Royster, der Vater ElmirasAnton Kostov
Mr. Graham, Zeitschriften-HerausgeberAndreas Mannkopff
Stanisláw Brankatschk
Frances S. Osgood, SchriftstellerinRenate Reichel
Sarah H. Whitman, SchriftstellerinHeike Bartsch
Annie Richmond, Freundin PoesKatrin Göltz
DoktorPeter Zenner
ZimmermannAndreas Mannkopff
Stansiláw Brannkatschk
Gesellse des ZimmermannsSebastian Byzdra
Kandidat im Wahlkampf 1849Andreas Mannkopff
Asgeir Páll Agustsson
1. Cooper, ein WahlhelferJörg Decker
1. RedakteurRobert Bily
2. RedakteurAnton Kostov
SchreiberJörg Decker
SetzerYuri Svatenko
1. ZeitungsjungeBenjamin Zettl
2. ZeitungsjungeAnneli Chasemore
PfarrerAndreas Guhlmann
Ein ArztTimothy Alois Cruickshank
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
keine aktuellen Termine
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Fr, 28.08.2009 19:30Oper, Halle (Saale)Premiere
Mi, 02.09.2009 19:30Oper, Halle (Saale)
So, 06.09.2009 15:00Oper, Halle (Saale)
▼ 33 weitere Termine einblenden (bis 01.03.2011) ▼
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Overlay