Es war einmal eine Fabrikarbeiterin, die avancierte aus einfachen Verhältnissen kometenhaft zur Schlagerikone der 1960er und 1970er Jahre. Norman Zechowski (Konzept, Regie und Ausstattung) betitelt sein Stück über Doris Wegener alias Manuela als „Pop-Märchen”. In dem um die Hits herum gebastelten zuckersüßen Einblick in Manuelas Biografie bleibt nur die überragende Camilla Kallfaß in der Titelrolle im Gedächtnis.
Schock in der schäbigen Eckkneipe: Manuela ist tot. Auch wenn der arbeitslose Gast Olly (Wolf Richert) mit dieser Schlagzeile nichts anfangen kann, Wirtin Heidi (Anja Fliess) hat die Karriere des singenden Mädchens aus dem Berliner Arbeiterbezirk Wedding von Anfang an begleitet: Zunächst als Kollegin am Fließband in den Hydra-Werken, dann als daumendrückende Freundin bei Talentwettbewerben und schließlich gemeinsam mit einer zweiten Freundin (Annette Heimerzheim) als po-wackelnde Background-Sängerinnen bei Manuelas Auftritten in Las Vegas. In einer Zeitreise vom Jahr 2001 zurück ins Nachkriegs-Berlin lässt Autor Norman Zechowski Heidi auf das schillernde Leben eines der größten Schlagerstars der jungen Bundesrepublik blicken. Er konzentriert sich dabei auf Manuelas Aufstieg, der in einem Konzert in Las Vegas gipfelt, bei dem Elvis hinter den Kulissen auf das Girl aus Germany wartet und ihr mit starkem amerikanischen Akzent „Es lebe das Geburtstagskind” vorsingt.
Die Schattenseiten des Ruhms, lässt Zechowski allenfalls in den Szenen mit Manuelas wesentlich älteren Manager und Lebenspartner Werner (Volker Figge) anklingen, der sie leicht abschätzig mit „Kindchen” anredet und zum Erfolgsprodukt für die Plattenindustrie formt. Egal, ob im schrillen Maxikleid oder im knappen Mini-Outfit, Manuela wird zur weiblichen Stilikone einer ganzen Generation und trällert munter heile Welt-Schlager. Camilla Kallfaß verkörpert dieses neckische, naive Girlie mit Bravour und imitiert in den vielen Songs gekonnt ihren eigenartigen Akzent mit stark gerolltem R und spitzen I-Lauten.
Erst ganz zum Schluss erkennt Manuela, dass sie vor allem von Werner wie eine Marionette benutzt wird. Und hier hat die Show dann auch ihren stärksten Moment: Camilla Kallfaß streift die Perücke nach hinten, sitzt desillusioniert im kalten hellen Licht am Boden und singt acappella akzentfrei ein ergreifendes „Hand aufs Herz”, das wie Manuelas Blick auf ihre gescheiterte Karriere klingt. Kallfaß wächst in diesem Moment über sich hinaus und charakterisiert eine ramponierte Existenz. Würde das Stück mit dieser dramatischen Wendung enden, es würde den Zuschauer wahrscheinlich mehr berühren. Autor Zechowski aber lässt Wirtin Heidi sagen, dass sie Manuela so nicht in Erinnerung behalten will und so trällert die Titelheldin zum Abschluss strahlend ihren Hit „Küsse unterm Regenbogen”.
Als Regisseur liefert Zechowski insgesamt eine solide Leistung ab, obwohl einige Szenen – beispielsweise das Las Vegas-Bild – den Charme einer Laienaufführung ausstrahlen. Vielleicht liegt das auch an der zu nüchternen Optik mit dreistufiger Showtreppe und Blinklichtern. Auch die beiden hilflos wippenden Background-Sängerinnen, denen Zechowski (auch Ausstatter) nicht einmal einheitliche Kleider gönnt, verströmen weder Glanz noch Glamour. Ansonsten aber vermittelt der wandelbare Einheits-Bühnenraum mit Klappelementen und schrillem 70er-Jahre-Mobiliar Zeitkolorit. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse lässt Choreograf Jan Reimitz das Ensemble mit viel Armgeschwenke hauptsächlich umherschreiten, allerdings ist vor dem Abflug in die USA immerhin auch eine richtig gut getanzte Stepp-Einlage drin.
Die Manuela-Story will vor allem eines: Unterhalten. Das funktioniert hervorragend und gibt den Fans die Gelegenheit, in Erinnerungen zu schwelgen. Wenn sie dann bei der Zugabe Manuelas größten Hit „Schuld war nur der Bossa Nova” mitsingen und dazu rhythmisch im Takt klatschen, dann herrscht Glückseligkeit im Schlager-Märchenland.
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