Trotz einiger Längen im Buch und schwacher Songs im ersten Akt geht das Box-Musical nicht K. O. Dank der sportlichen, darstellerischen und gesanglichen Leistungen von Michael Starkl und Ricky Watson als Boxlegenden Max Schmeling und Joe Louis kommt die Show mit einem blauen Auge davon.
Die Brünette im knappen Goldoutfit trippelt durch den Boxring und schwenkt lasziv das Schild mit der Zwölf. Schon ertönt die Glocke zur angekündigten, nächsten Runde. Der hellhäutige Sportler besinnt sich auf seine Vorbereitung, in der er Kämpfe seines Rivalen auf Zelluloid studiert hat, und nutzt seine Chance: Max Schmeling triumphiert über den “braunen Bomber”. Kurz vor der Pause fliegen auch im Box-Musical von Paul Graham Brown (Musik, Original-Liedtexte, musikalische Leitung) und James Edward Lyons (Buch, deutsche Liedtexte, Regie) überaus realistisch die Fäuste und das erste Aufeinandertreffen beider Sportler endet historisch korrekt mit dem Titel für Schmeling. In der Stunde der Niederlage verbleiben Freundin und Trainer des besiegten Joe Louis im Ring und singen ein galliges “Solang’ ihr einen braucht, der euch den Nigger macht” frontal ins Publikum, während der Unterlegene sich im Hintergrund verschämt von der Bühne schleppt. Ein richtiger Gänsehautmoment in der sehr realistisch angelegten Inszenierung.
Bis zu diesem Höhepunkt vergeht über eine Stunde, in der langatmig der Weg beider Kontrahenten bis zum Fight nachgezeichnet wird. Der regieführende Autor Regisseur Lyons hätte hier straffen müssen. Durch Szenen wie die parodistische italienische Koch-Einlage im “Salon für Kunst und Leibeszucht”, die zwar etwas Witz und Pep in die bis dahin recht lahme Show bringt, gerät der Erzählfluss ins Stocken. Hinzu kommt, dass gerade im ersten Teil auch die Musik nicht richtig in die Gänge kommt. Abgesehen von einem Tango, einem walzerseligen “Es geht hier bloß um Sport” und den Sitzen-Song dominieren balladeske Melodienfolgen, die in ihren Arrangements für Klavier und tirilierende Querflöte einschläfernd wirken. Brillant hingegen Browns Einfall, den Boxkampf vom Ensemble mit einem “Bababababa”-Stakkato kommentieren zu lassen.
Den stärkeren Eindruck hinterlässt der zweite Teil des Abends, in dem der zum Star in Nazi-Deutschland avancierte Schmeling das zweite Mal auf Louis trifft und mit politisch motivierten Boykott-Aufrufen und Demonstrationen in New York konfrontiert wird. Das Stück endet mit der sportlichen Niederlage des Deutschen und dem Trugschluss der Amerikaner, damit den Machthabern in Berlin ihre Grenzen aufgezeigt zu haben. Im Finale erklingt noch einmal der jiddisch inspirierte Song “Bisschen angepasst”, mit dem Daniel Pabst als Max Schmelings jüdischer Agent Joe Jacobs zuvor Zwiesprache mit Gott gehalten hat. Pabst eilt sicher mit seinem eleganten Tenor durch das immer schneller werdende Lied und erntet damit in der Premiere wahre Begeisterungsstürme. Allerdings legt er seine Figur in der Darstellung etwas zu überzogen tuntig an. Richard McCowen als Manager und Trainer von Joe Louis trumpft mit sattem Bass auf, während Jan-Andreas Kemna als Arthur Bülow stimmlich mit höheren Tönen an seine Grenzen stößt. Lada Kummer spielt sich als Filmschauspielerin Anny Ondra sympathisch in das Herz von Max Schmeling. Mit ihrem ausdruckslosen, matten Sopran geht sie allerdings das ein oder andere Mal stimmlich unter. Marva, die Frau an der Seite von Joe Louis, ist bei Gina Marie Hudson darstellerisch wie gesanglich in besten Händen.
Im Zentrum der Aufführung stehen natürlich die beiden Box-Kontrahenten, die mit Michael Starkl (Max Schmeling) und Ricky Watson (Joe Louis) auf den Punkt besetzt sind. Beide singen mit geschmeidigen, vollen Baritonstimmen, die im Duett “Gebt mir den Fight” angenehm miteinander harmonieren. Schier Unglaubliches leisten Starkl und Watson in den Kampfszenen, in denen beide unter Beweis stellen, dass sie mehr können, als nur einen Sportler zu mimen. Auch wenn es sich um einstudierte Fausthiebe handelt (Box-Choreografie: Francisco Sanchez), merkt man beiden Darstellern an, dass sie sich einem harten Training unterzogen haben. Olga Lunows Bühnenbild bietet weit mehr als nur einen Box-Ring, für den einfach die begrenzenden Pfosten mit den Seilen im Bühnenboden versenkt werden. Lunow hat einen ganz in Schwarz- und Grautönen gehaltener Bühnenraum mit zwei angeschrägten, stilisierten Häuserfronten im Hintergrund gestaltet, der an Gemälde aus der Zeit der Weimarer Republik erinnert. Ganz dieser Zeit huldigt auch ihr geschmackvolles Kostümbild.
Wenn Joe Louis angesichts der Proteste seiner Landsleute seinen sportlichen Gegner fragt: “Max, wie behandeln sie dich?” dann unterstreicht das, wie wenig beide Kontrahenten mit den ihnen von den politischen Machthabern aufoktroyierten Rollen zurecht kommen. Sport kann eben auch immer Theater sein. Und das nicht nur auf einer Musicalbühne.
Sa, 04.10.2008 20:00 | tribuene, Berlin | Premiere |
Mi, 08.10.2008 20:00 | tribuene, Berlin | |
Do, 09.10.2008 20:00 | tribuene, Berlin | |
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Fr, 10.10.2008 20:00 | tribuene, Berlin | |
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