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Leider etwas langatmig geratener, satirsch-kritischer Blick in die Zukunft unserer Gesellschaft nach dem Roman von Aldous Huxley. Werden denkende und fühlende Individuen aussterben?
Ekel und Entsetzen bei den Bewohnern der auf permantes Glück, ausufernden Konsum und virtuellen Sex ausgerichteten Welt-Ordnung: Der aus der Verbannung ins Wohlstands-Wunderland transferierte John hat eine Mutter! Die genormten, in Flaschen gezüchteten Model-Menschen kennen diesen schmutzigen Begriff aus dem Museum ihres Brut- und Normcenters. Dort wird in einer Glasvitrine eine lebensgroße Puppe mit schlaffen Brüsten und einem aufblasbaren Bauch ausgestellt, die mit schmerzgequältem, irren Blick und unter heftigen Zuckungen den antiquierten Vorgang der als “Geburt” bezeichneten Menschenproduktion in der Vormoderne illustriert. Ebenso irritiert die Genussgesellschaft, dass der fremdartige Wilde mit keinem Chip zur Lustbefriedigung ausgestattet ist und einen ihm aufgezwungenen distanziert-technisierten Sexversuch angewidert abbricht. Ähnliche Differenzen tauchen in der Kommunikation auf: John hat das Sprechen aus weggeworfenen Büchern von Shakespeare, Goethe und Hermann Hesse erlernt. Die hipen Bewohner der SNW (Schönen Neuen Welt) rekapitulieren mit großer Hingabe das ihnen indoktrinierte, inhaltsleere Bla-Bla-Geschwafel und plädieren dafür, dass die deutsche Sprache abgeschafft werden soll.
Sind dies alles utopische Hirngespinste? Volker Ludwig, der den 1932 von Aldous Huxley als bissige Satire auf die Verhältnisse der Entstehungszeit geschriebenen Roman für die Musicalbühne adaptiert hat, lässt keinen Zweifel offen: Unsere Gesellschaft lebt bereits in der dargestellten Zukunft, den meisten ist es nur noch nicht bewusst. Mit seinem feinsinnig-satrischen Texten, in die allerlei aktuelle Spitzen einfließen (Nina Ruges “Alles wird gut” wird zum Beispiel als Zitat einer großen Philosophin der Vormoderne bezeichnet) hält er dem Publikum den Spiegel vor: Geburt und Tod sind längst instrumentalisiert, sexuelle Triebe werden mithilfe der Medien ausgelebt, berauschende Drogen vernebeln Probleme und wer nicht einer genormten Optik folgt, gilt als Außenseiter. Leider verzettelt sich der Autor aber in Einzelheiten, so dass das Stück insgesamt sehr langatmig wirkt. Im Zuge einer kritischen Überarbeitung sollten Szenen, die wenig zum Fortgang der Handlung beitragen (Rundgang durch das Brut- und Normcenter, Flug ins Reservat der Wilden), gekürzt oder ganz gestrichen werden.
Achim Gieseler hat für “Schöne Neue Welt” eine durchweg eingängige Musik komponiert, in der poppig-rockige Töne dominieren. Es erklingen aber auch eine große Hymne (“Schöne Neue Welt”), Country-Musik (Song der Wilden) und ein schmachtendes Liebesduett (“Und ich lieb dich doch”) mit echten Ohrwurm-Qualitäten. Schon wegen der ironischen Texte gefallen der im Museum intonierte Mutter-Song (seine Textzeilen enthalten alle nur denkbaren Wortzusammensetzungen mit Mutter) sowie “Das Leben ist Lalala”, mit dem das oberflächliche Lebensgefühl der genussorientierten Gesellschaft charakterisiert wird. Die auf der Balustrade über der Bühne postierte Band “No Worries” powert sich unter Gieselers Leitung durch die Partitur, dass es eine wahre Freude ist.
Mit seiner Inszenierung folgt Matthias Davids ganz dem satirischen Ansatz der Vorlage. Dabei nutzt er geschickt den gesamten Theaterraum, in dem die Zuschauer wie in einer Arena an drei Seiten um die kahle, durch sechs schnell wandelbare Prospekte begrenzte, Bühnenfläche (Bühnenbild: Mathias Fischer-Dieskau) herumsitzen. Davids lässt seine Darsteller häufig in Richtung des Publikums abgehen oder wieder auftreten und verlegt die in der Sächsischen Schweiz spielende Szene, in der der Wilde und die von ihm angebetete Lenina zusammenfinden, auf den Umgang mit den Scheinwerfern. Großen Wert legt Davids bei der Darstellerführung in der Charakterisierung der einzelnen Bevölkerungsschichten: Die zum Arbeiten verdonnerten Deltas und Epsilons sind nur noch tumbe Bewegungsroboter, während die Alpha-Führungsriege ganz smart und intellektuell daherkommt. Auch rein optisch lassen sich die einzelnen Bevölkerungsschichten leicht unterscheiden. Kostümbildnerin Barbara Kremer kleidet die genusssüchtigen Beta-Mädels in knappe, knatschrosa Minirock-Outfits à la Paris Hilton, die Mitglieder der Alpha-Kaste erscheinen im seriösen Grau und die regimetreuen Polizisten und Reporter in knalligem Hellgrün mit der Aufschrift Ordnungs- beziehungsweise Info-Team.
Dass im GRIPS-Theater mehr und mehr Musicals auf dem Programm stehen, zeigt sich in der Cast, die sich exzellent im Tanz bewegt (Neva Howards Choreografien leiden etwas unter den beengten Platzverhältnissen) und ausnahmslos gesanglich überzeugt. Die dankbarsten Rollen spielen Ester Daniel (Helena Watson) und Daniel Jeroma (Bernhard Marx), die als Alphas die Fehler im totalitären Gesellschaftssystem kennen und geschickt für ihre eigenen Zwecke nutzen. Michaela Hanser genießt als Johns Mutter Linda die Rückkehr in die Schöne Neue Welt, an deren Drogen sie letztendlich zugrunde geht. Frank Engelhardt ist ein korrupter wie schleimiger Präsident Mustafa Danone, der sich letztendlich als Vater von John herausstellt. Christoph Letkwoski gibt den Wilden als absoluten Sympathie-Träger der Show, der mit jeder Menge Charme und durchtrainiertem Körper Lenina (Kathrin Osterode) und ihren Beta-Freundinnen (Laura Leyh, Sonia Hausséguy) den Kopf verdreht.
“In dieser Welt fehlt dem Menschen alles, was ihn zum Menschen macht” sagt der Wilde zum Ende des Stücks und sehnt sich nach Gefühlen, Entscheidungsfreiheit, Bildung und Kultur. Bleibt zu hoffen, dass Menschen wie John nicht doch bald zu einer aussterbenden Spezies gehören.
Musical von Achim Gieseler (Musik) und Volker Ludwig (Buch und Songtexte)
nach dem Roman von Aldous Huxley
zusätzliche Kompositionen: Thomas Zaufke (“Begegnungsduett”, “Leben ohne Träume”)
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung | Matthias Davids |
Choreografie | Neva Howard |
Bühnenbild | Mathias Fischer-Dieskau |
Kostüme | Barbara Kremer |
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CAST (AKTUELL) |
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Mustafa Bond, World Controller, Tom, Pilot | Claudius Freyer |
Benedikt Danone, Präsident | Roland Wolf |
Helena Watson | Ester Daniel |
Bernhard Marx | Daniel Jeroma |
Henry Foster | Robert Neumanni |
Lenina | Kathrin Osterode |
Fanny, Leninas Freundin, Sabrina, Krankenschwester | Julia Schubert |
Lizzy, Dalida, Danones Sekretärin | Katja Götz |
Joe, Ranger, Soma-Verteiler | Jörg Westphal |
John,der Wilde | Christoph Letkowski |
Linda,Johns Mutter | Michaela Hanser |
Greiser Wilder | Manfred Grashof |
Band "No Worries" | George Kranz Michael Brandt Robert Neumann Beathoven |
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TERMINE |
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keine aktuellen Termine |
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TERMINE (HISTORY) |
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