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Pinkelstadt (2006)
Die Theater Chemnitz, Chemnitz

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Als erstes Stadttheater zeigt das Schauspielhaus Chemnitz die rabenschwarze Musical-Komödie, die in New York zum Sensations-Erfolg mutierte und 2004 in Berlin ihre deutsche Erstaufführung feierte. Die Chemnitzer Inszenierung von Uwe-Dag Berlin ist noch zynischer und derber als das Original, zieht das Publikum aber andererseits mit viel Humor in ihren Bann.

“Dies ist kein fröhliches Musical”, versichert uns der Erzähler, Wachtmeister Kloppstock, mehr als einmal im Laufe des Stücks. Der Trick bei “Pinkelstadt” ist, dass es sich eigentlich um eine bitterböse Sozialsatire um Korruption, Ressourcenverschwendung und die Machtstellung der Industrie handelt, die aber so geschickt mit Komik gespickt ist und mit beschwingten Melodien sowie einer Vielzahl von parodistischen Elementen auf Musical und Film unterlegt wurde, dass das Stück letzten Endes zwar wirklich nicht “fröhlich”, dafür aber über weite Strecken lustig ist.

Von der Subtilität der deutschen Ur-Inszenierung im Berliner Schlossparktheater ist bei Uwe-Dag Berlins Fassung wenig übrig geblieben: Der Humor ist derber, die Anspielungen deutlicher. Dick aufgetragen wird sowohl bei der Sozialkritik als auch bei den komischen Elementen. – So rollt am Ende des ersten Aktes auf dem Höhepunkt der Aufruhren schon mal ein brennendes Autos über die Bühne, und beim schmalzigen Liebesduett “Hör’ auf dein Herz” gehen die Titanic-Anleihen so weit, dass ein als Eisberg verkleideter Darsteller durch den Publikumssaal geht und sich vor dem (dem sprichwörtlichen Untergang geweihten) Paar aufbaut. Diese Holzhammer-Taktik funktioniert weitestgehend und sorgt für Unterhaltung und Biss. Dabei verzeiht man auch, dass die Grenzlinie zwischen Humor und Klamauk an einigen wenigen Stellen überschritten wird.

Der Trend zu Extremen und zur Überzeichnung setzt sich bei den Charakteren fort. Kloppstock (Tobias D. Weber) ist hier – anders als am Broadway und in Berlin – nicht der liebenswerte Schurke mit verschmitztem Lächeln, sondern ein fieser Schläger, der auf dem Motorrad auf die Bühne fährt und sich auch schon mal am aufmüpfigen Punker-Girl Klein Erna (Carola Sigg) vergreift. Weber ist charismatisch und singt die Rolle mit passend harter Stimme, die vor allem beim Rap der Polizisten sehr gut zur Geltung kommt. Sigg kann darstellerisch überzeugen, verfällt aber bei den Gesangspassagen stellenweise mehr ins Kreischen als es die Rollenauslegung erfordert hätte.

Stark karikiert hat Uwe-Dag Berlin vor allem bei der Charakterisierung von Johnny Stark (Stefan Wancura), der zwar in Manier von Les Misérables-Studentenführer Enjolras die Flugblätter in die Luft wirft und zur Revolution aufruft, aber eigentlich mehr oder weniger zufällig zum Rebellenführer geworden ist und dabei offensichtlich komplett planlos ist. Da passt sogar der Umstand, dass Stefan Wancuras Singstimme zu wünschen übrig lässt, irgendwie ins Bild – wobei die Frage offen bleibt, ob das besetzungstechnisch bewusst so angedacht war, um die vermeintliche Heldenfigur weiter zu demontieren, oder ob man hier vielmehr aus der Not eine Tugend gemacht hat.

Muriel Wenger setzt als Freya von Mehrwerth mit starker Stimme und an Überdrehtheit grenzendem Enthusiasmus einen starken Gegenpol zu Wancuras halbherzigen Anti-Helden, und macht in jeder gemeinsamen Szene deutlich, wer in der kurzlebigen Beziehung von Johnny und Freya die Hosen an hat.

Frank Höhnerbach macht seine Sache als böser Industriemogul Werdmehr von Mehrwert gut, ebenso wie Antje Weber als Toilettenfrau Elfriede Fennichfux, auch wenn man sich von beiden hier und da etwas mehr Charisma und Stimme gewünscht hätte.

Das Bühnenbild ist mehr oder weniger statisch; das ist im Grunde aber auch gut so, denn die Kostüme und die Choreographie sind bunt und abwechslungsreich genug. Bei der Choreographie hat Stephan Brauer ganze Arbeit geleistet – die Tanzszenen sind nicht nur schön anzusehen, sondern passen auch wunderbar ins Geschehen und haben dabei manchmal sogar noch ihre eigene parodistische Wirkung, wie etwa bei der Riverdance-Einlage in “Was ist Pinkelstadt?” zu Beginn des zweiten Akts.

Die Melodien von Mark Hollmann sind eingängig und – im Gegensatz zum Inhalt des Stückes – fröhlich. Dabei weisen die Songs eine erstaunliche Bandbreite auf, ohne dass das Gesamtwerk an seiner Homogenität verliert. Nicht zuletzt auch hierbei wird deutlich, dass es sich bei der Aufführung im Chemnitzer Schauspielhaus weder um eine Kopie der Originalinszenierung noch der Berliner Fassung handelt. Die Chemnitzer Arrangements von Michael Hinze unterscheiden sich bisweilen von den Original-Arrangements, reihen sich aber ebenfalls nahtlos in das musikalische Schema des Stückes ein.

Das ist symptomatisch für die gesamte Aufführung: innovativ, provokant und – mit wenigen Abstrichen – wirkungsvoll.

 
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KREATIVTEAM
Musik und GesangstexteMark Hollmann
Buch und GesangstexteGreg Kotis
Deutsches BuchRuth Deny
Deutsche GesangstexteWolfgang Adenberg
Musikalische LeitungMichael Hinze
RegieUwe Dag Berlin
ChoreographieStephan Brauer
AusstattungHamster Damm
 
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CAST (AKTUELL)
Werdmehr von MehrwerthFrank Höhnerbach
Jonny StarkStefan Wancura
Freya von MehrwerthMuriel Wenger
Elfriede FennichfuxAntje Weber
Wachtmeister KloppstockTobias D. Weber
Klein ErnaCarola Sigg
Wachtmeister WampeMichael-Paul Milow
Abgeordneter SchmierKlaus Schleiff
Wetzstein Willi / ManagerIvan Gallardo
Herr KaiserChristoph Letkowski
Alte Frau / Johanna StarkElvira Grecki
Suppensuse / Mehrwehrts SekretärinSylvia Bretschneider
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 11.02.2006 19:30Schauspielhaus, ChemnitzPremiere
So, 12.02.2006 19:30Schauspielhaus, Chemnitz
Fr, 03.03.2006 19:30Schauspielhaus, Chemnitz
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