Von dieser Produktion haben wir leider keine Fotos
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Heimatlos (2005 - 2006)
Großes Haus, Kaiserslautern

Heimatlos ist der kleine Charles Milligan, der als Baby von Gaunern entführt wurde und unter dem Namen Remi in einem französischen Dorf aufwächst. Der Pflegevater verkauft ihn eines Tages an einen Jahrmarktgaukler, der mit ihm durch das Land zieht. Bis er schließlich zu seiner Familie in England zurück findet, muss er eine lange Reihe von Abenteuern bestehen.

In Zeiten von Compilationshows fällt es schwer, auch nur ein negatives Wort über ein Musical zu verlieren, das sowohl textlich als auch musikalisch komplett „original” ist (Uraufführung des Stücks: 2003 in Oslo). Doch leider überzeugt diese große Stadttheaterproduktion nicht in jeder Hinsicht.

Librettist Øystein Wiik und Komponist Gisle Kverndokk haben sich des märchenhaften Romans „Sans famille” von Hector Malot aus dem Jahr 1878 angenommen: Der kleine Charles Milligan, heimatlos und auf der Suche nach einem neuen Zuhause, wird im Alter von elf Jahren vom Stiefvater aus Not unter dem Namen Remi an eine Gauklertruppe verkauft. Ganz auf sich allein gestellt, muss sich Remi seinen Lebensunterhalt in einem Kohlebergwerk verdienen. Er wird zum Held des Tages, als es ihm gelingt, nach einem Bergunglück Hilfe zu holen. Aufgrund seiner Geschichte in der Zeitung erkennt ihn seine Mutter, Lady Milligan, als ihren Sohn. Doch muss er noch eine Reihe von Abenteuern bestehen, bis er zu seiner Familie nach England zurück findet…

Liest man sich die im Programmheft abgedruckten Originalseiten des Buches durch, wird klar, woran das Musical kränkelt: Der ganze Roman wird aus der Perspektive von Remi/Charles erzählt und in seiner kindlichen Phantasie bekommen die Tiere einen sehr menschlichen Charme. Dieser Reiz geht aber durch die erwachsenen Tierdarsteller verloren – sie wirken fast ein wenig albern in ihren Rollen als Hund, Hündin und Affe des fahrenden Künstlers Vater Vitalis. Zudem lebt der Roman von physischen Erfahrungen – Remy vom Wasser umschlossen im Bergwerk, Vater Vitalis stirbt im Schnee – wirkt fast ein bisschen wie „Indiana Jones Junior im 19. Jahrhundert”. Die Bühnenadaption hätte eine völlig andere Sprache finden müssen, um dieses Manko der fast zwangsweise filmischen Umsetzung zu umgehen. So wirkt das Ergebnis gut gewollt, aber durch die Limitierungen der Bühne nicht beeindruckend genug. Viel zu holzschnittartig werden Charaktere vorgestellt und verschwinden wieder. Man merkt den Autoren an, dass sie so gut wie jede Kleinigkeit aus dem Roman in ihr Musical integrieren wollten.

Die Musikfarbe des Stücks ist teilweise atonal, dann wieder im modernen Musicalstil und schließlich sogar in der Operette verhaftet. Besonders stechen die Ensemblenummern heraus, in denen der Chor jedoch häufig vom Orchester übertönt wird. Ein Höhepunkt für den Chor ist der Song auf dem Marktplatz in Salisbury, bei dem Komponist sein Talent für wirklich eingängige Operettenmelodien aufblitzen lässt. Als Einzelsongs gefallen besonders das schlichte Lied von Vater Vitalis und Charles in der Kneipe (“Bettellied”), sowie das große Solo des Bösewichts James Milligan “Beinah”, indem er sich darüber ärgert, auf ewig der Zweite zu sein. Vom Gaunerpärchen Sally und Harry Driscoll bleibt besonders das Solo “In Harry`s Krämerhalle” von Samuel Schürmann im Gedächtnis, das zwar von der Handlung ein wenig deplatziert wirkt, jedoch als Revuenummer überzeugt.
Das Ballett bringt als Wölfe, leichte Mädchen, Diebe und in weiteren Rollen Schwung in die Geschichte, doch wünscht man sich für die Zukunft der Produktion eine bessere Verflechtung der einzelnen Abteilungen. Besser wären dem Stück weniger Mitwirkende und dafür mehr Musicaldarsteller bekommen, die sowohl singen als auch tanzen können.

Von den Darstellern sticht besonders Ansgar Schäfer als charismatischer Ersatzvater Vater Vitalis heraus, Ute Henryke Schäfer liefert in der Hosenrolle als Charles Miligan/Remy eine respektable Leistung ab. Einzig beim Gaunerpärchen Harry und Maggie Driscoll (Samuel Schürmann / Astrid Vosberg) wäre mehr Personenregie angebracht gewesen – ihre Nummern wirken oft ohne jeden Zusammenhang in das Stück eingeflochten.

Vielleicht hätten Regie und die Autoren ihre offensichtliche Begeisterung für den Roman mehr in den Dienst einer nicht filmisch angelegten Bühnenbearbeitung legen sollen. Trotzdem gebührt dem Pfalztheater Lob: Es hat aufgezeigt, dass man die deutschsprachige Erstaufführung eines noch unbekannten Musicals nicht in die Studiotheaterecke verbannen muss, sondern mit über 80 Darstellern auch im Stadttheater auf die Bühne bringen kann.

 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 22.10.2005 19:30Großes Haus, KaiserslauternPremiere
Mi, 26.10.2005 19:30Großes Haus, Kaiserslautern
Mi, 02.11.2005 19:30Großes Haus, Kaiserslautern
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