Sally Bowles, Star des Berliner Kit-Kat-Clubs, wird mit der Realität des politischen Umsturzes durch die Nazis konfrontiert. Das Hauptaugenmerk der Inszenierung liegt dabei auf der immer stärker werdenden Beeinflussung des Lebens durch die Partei und deren Helfershelfer.
Am Ende der Produktion liegt eine desillusionierte und heruntergekommene Nachtclubsängerin unter der Gogo-Stange. Kurz zuvor hatte Sally Bowles dort noch trotzig zu routinierten Hüftschwüngen “Ein Cabaret ist diese Welt” hinausgeschrieen – als wolle sie jedermann zwingen, dies zu glauben. Auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen ist Sally jedoch längst klar, dass mit wachsendem Einfluss der Nazis das Leben nicht mehr so schillernd ist, wie es der “Kit Kat-Club” immer noch vorgaukeln will. Wenn Clifford von Nazi-Schergen zusammengeschlagen wird, zieht der Conférencier schnell den Glitzervorhang davor. Weil Kollegin Aishe wegen ihrer südeuropäischen Herkunft nicht in das braune Weltbild passt, wird sie kurzerhand aus dem Girl-Ensemble aussortiert – ihren Platz bekommt das mit den Nazis kooperierende Flittchen Fräulein Kost zugewiesen.
Manuel Schöbel zeigt “Cabaret” als eiskaltes Machtspiel, in dessen Verlauf Liebebeziehungen und Karrieren rücksichtslos zerstört werden. Da ist eigentlich kein Platz für die Figur des Conférenciers, den der Regisseur stiefmütterlich behandelt und hauptsächlich als pantomimisch-kommentierenden Kasper einsetzt. Einzig für den Song “Sähet ihr sie mit meinen Augen” hat Schöbel eine wirkungsvolle Lösung gefunden: Statt des im Buch vorgesehenen Gorillamädchens stellt der Conférencier eine puppenhafte Braut vor, hinter deren Fassade sich eine brutal auf ihn einprügelnde Frau in Hitler-Maske verbirgt.
Als Kulisse dient ein an einen U-Bahnhof erinnerndes Einheitsbühnenbild. Frank Prielipp hat einen grüngekachelten Raum mit zahlreichen Gängen, Treppen und Türen geschaffen, in dessen erster Etage hinter einer Gaze-Wand das nur mit einem riesigen Lotterbett möblierte Pensionszimmer von Sally und Clifford sichtbar wird. Im Zentrum der Bühne steht dauerhaft ein Podest mit einer Gogo-Stange. Je nach Spielort wird diese hallenartige Konstruktion um einen sprudelnden Springbrunnen (für die Pension) oder einige Tische und Stühle nebst schlichter Leuchtreklame (für den “Kit Kat-Club”) ergänzt. Doch weder Lauflichter an den Treppen noch pyrotechnische Effekte zaubern eine schwüle Nachtclub-Atmosphäre. In diesem nüchternen Etablissement servieren die Girls in lasziven Choreografien (David Sutherland) knallharte Erotik. Susanne Goder hat ihnen neben freizügigen Abendroben und allerlei Gestrapse auch eigenartige Lack-Domina-Outfits geschneidert, die mit ihren aufgesetzten falschen Brüsten peinlich wirken.
Als Glücksgriff für die Produktion erweist sich das Engagement der “Damenkapelle”, die mitreißend die jazzige Musik von John Kander interpretiert und der sachlich-kühlen Optik der Produktion akustisch eine gehörige Portion Wärme verleiht. Alle Darsteller singen ohne sichtbare musikalische Leitung, trotzdem gibt es bei der Intonation weder Wackler noch falsche Einsätze. Die dankbarsten Gesangsaufgaben bei den Herren hat der Conférencier. Falk Berghofer punktet auf ganzer Linie und liefert trotz vom Regisseur verordneter Mätzchen eine überzeugende Leistung. Ihm ebenbürtig ist Marion Wiegmann als hemdsärmelige Pensionswirtin Fräulein Schneider, die “aus Vernunftsgründen” auf das Liebesglück mit Herrn Schultz (etwas blass: Harald Arnold) verzichtet. Nini Stadlmann legt ihre Sally Bowles ganz als wilden Vamp an und gefällt sowohl in ihren Tanzszenen (“Don’t tell mama”) als auch in ruhigeren Momenten (“Maybe this time”). Trotz einiger schriller Spitzentöne ist es nur verständlich, dass sich Gerald Michel in der etwas undankbaren Rolle des Clifford Bradshaw in sie verguckt.
Letztendlich scheitern beide Liebebeziehungen an der heraufziehenden politischen Zukunft Deutschlands. Als die Nazi-Schergen die Gogo-Stange mit einer Uniformmütze krönen und triumphierend ein überdimensionales Hakenkreuz wie einen Ventilator drehen, hat Clifford dem eisigen Wind Deutschlands längt den Rücken gekehrt.
Fr, 03.02.2006 19:30 | Brandenburger Theater GmbH, Brandenburg (Havel) | Premiere |
So, 05.02.2006 15:00 | Brandenburger Theater GmbH, Brandenburg (Havel) | |
Fr, 24.02.2006 19:30 | Hans Otto Theater, Potsdam | |
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Sa, 25.02.2006 19:30 | Hans Otto Theater, Potsdam | |
So, 26.02.2006 15:00 | Hans Otto Theater, Potsdam | |
Do, 09.03.2006 19:30 | Kleist Forum, Frankfurt (Oder) | |
Fr, 10.03.2006 19:30 | Kleist Forum, Frankfurt (Oder) | |
Fr, 17.03.2006 19:30 | Brandenburger Theater GmbH, Brandenburg (Havel) | |
So, 19.03.2006 15:00 | Brandenburger Theater GmbH, Brandenburg (Havel) | |
Sa, 15.04.2006 19:30 | Brandenburger Theater GmbH, Brandenburg (Havel) | |
Mo, 17.04.2006 15:00 | Brandenburger Theater GmbH, Brandenburg (Havel) | |
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