Die erste, minimalistische Inszenierung begeistert durch ein engagiertes und mit viel Herz spielendes Ensemble und sehr gute Grundelemente.
Nachdem Sascha Böddecker es bereits geschafft hat, zwei konzertante Aufführungen seines Musicalmärchens “Das Eiskalte Herz” nach Hans Christian Andersens “Die Schneekönigin” auf die Beine zu stellen, wagte man sich nun in Wetter an die erste Workshopproduktion des Stücks.
Die Inszenierung von Heike Werntgen unterhält bis auf vereinzelte Längen durchweg und begeistert das Publikum immer wieder mit kleinen, witzigen Regieeinfällen. Die Produktion ist minimalistisch – sicher auch aus finanziellen Gründen – aber das ist vollkommen in Ordnung: Kostüme, Bühnenbild und musikalische Begleitung (am Klavier: Komponist und Buchautor Sascha Böddecker) lenken in ihrer Einfachheit den Fokus ganz auf die Darsteller.
Kleiner, sympathischer Star dieser Aufführung ist die wirklich charmant spielende und stimmlich begeisternde Elisabeth Hübert. Sie sorgt für einige starke Gänsehautmomente und gibt eine glaubwürdige Gerda, die im festen Glauben an die Freundschaft ihren Kay wieder finden möchte. Dieser wird außerordentlich charmant von Max Niemeyer gegeben, der stimmlich genauso überzeugt und mit Hübert gemeinsam ein tolles, wunderbar harmonisierendes Paar abgibt. Als Gegenspielerin ist Sabine Schwarzlose einfach herrlich stereotyp böse und überzeugt mit klassisch angehauchter Stimme. Das restliche Ensemble ist genauso engagiert bei der Sache und überzeugt mit Spielfreude und sichtbarem Spaß am Stück. Erwähnenswert ist noch Yvonne Natalie Hummel als vierter Troll, die durch ihr witziges Spiel mehr als einmal die Blicke auf sich lenkt, während die übrigen Trolle von Thorsten Kozian, Alexander Hohler und Michael Christian Eisenburger teilweise enervierend dämlich wirken. Fast könnte man meinen, sie stammen aus der Irrenhausszene in “Elisabeth”.
Mit den Trollen beginnen die Probleme des Stücks: Sie sind auf Teufel komm raus als Comedytypen angelegt – agieren zeitweise auch durchaus komisch, verlieren aber recht bald ihren Witz und stehen zudem als “Sidekicks” viel zu sehr im Vordergrund. Da hätte das Buch mehr Gewicht auf die Schneekönigin legen müssen, deren Hauptaufgabe sich in der aktuellen Fassung darauf beschränkt, Befehle zu geben. Fast geht unter, dass sie die eigentliche Gegenspielerin, die wirklich “böse Gefahr” ist. Zusätzlich bleibt bisher offen, ob sich das Stück eher als Kindermusical versteht oder als Familienmusical, das auch Erwachsene anspricht: Es gibt Momente, die sicher für Kinder unterhaltsam sind, dafür Erwachsene weit weniger begeistern – und dann gibt es starke Momente, in denen man auch als Erwachsener ergriffen ist und sich völlig auf die Handlung einlässt. Auch die Musik “pendelt” zwischen diesen beiden Extremen. Generell kann man Sascha Böddecker viel Talent für schöne Melodien attestieren. Mit “Ohne Dich” und “Wahre Freunde” finden sich zwei tolle Musicalsongs im Stück. Besonders das Zweitgenannte überzeugt als Finale des ersten Aktes und entlässt das Publikum mit Spannung in die Pause. Wirklich sehr schade, dass dieser Song so kurz ist – die schöne Melodie hätte es verdient, ausgebaut zu werden. Auch die übrigen Songs haben ihre Qualitäten und unterstützen die jeweiligen Szenen gut. Leider ist die Gesamtanzahl an Songs relativ klein. Man vermisst ein großes Solo der Schneekönigin im zweiten Akt, außerdem möchte man von Kay mehr hören – und auch Gerda könnte als Hauptcharakter ruhig den einen oder anderen zusätzlichen Song singen.
Trotz der kritischen Punkte begeistert bereits diese, erste Produktion. Standing Ovations waren der Lohn für alle Kreativen, ohne Zugabe wollte niemand aus dem Publikum den Saal verlassen. Ein frisches kleines Stück mit guten Grundelementen, die hoffentlich ausgebaut und an der ein oder anderen Stelle verbessert werden. Dann steht einem rundum überzeugenden Abend für die ganze Familie nichts mehr im Weg.
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