„Und wehe Sie schreiben was Schlechtes!” sagte die nette Dame noch mit einem Grinsen im Gesicht, als sie mir mein Programmheft gab. Ich fürchte, ganz ohne „was Schlechtes” kann man über diese Inszenierung nicht schreiben, es gibt aber auch so viel Gutes zu berichten, daß mich der Zorn besagter Dame hoffentlich nicht heimsuchen wird…
Die Erwartungen lagen denkbar hoch nach dem fulminanten Erfolg von „Ein Käfig voller Narren” im letzten Jahr. Am Team hat sich nicht viel geändert, trotzdem wirkt der Abend behäbig und streckenweise langatmig. Helga Wolf (Regie und Choreographie) hat zuwenig vom flirrenden Leben im Berlin der zwanziger Jahre auf die Bühne gebracht. Der Kit-Kat-Klub wirkt fast spießig, nicht minder bieder sind die Gäste dort (sicher auch durch die Kostüme von Sabine Meinhard), getanzt wird viel zu wenig und Cliffs homosexuelle Neigungen sind nicht vorhanden. Da wird ganz viel Lebensgefühl verschenkt, was dem Abend einiges an Tempo nimmt.
Sehr feinfühlig ist dagegen das Aufkeimen des Nationalsozialismus eigeflochten, das in anderen Inszenierungen oft zu plötzlich und wenig glaubhaft hereinplatzt. Nicht so bei Helga Wolf: Von der ersten Szene an ist die Bedrohung spürbar und gipfelt in „Der morgige Tag ist mein”. Man fühlt, wie die Menschen damals von dieser neuen politischen Macht mitgerissen wurden und nur das Wissen um die Historie verhindert den Applaus nach dieser intensiven Szene. Der Auszug der Juden am Schluß ist aus „Anatevka” bekannt und etwas zu dick aufgetragen.
Vor diesem politischen Hintergrund ist die Liebesgeschichte zwischen Fräulein Schneider und Herrn Schulz bewegend und fesselnd. Ulrike Luderer und R.A. Güther singen zwar nicht gerade broadwayreif (auch ist sie etwas zu jung), trotzdem stehen da zwei Vollblutschauspieler auf der Bühne und man hält bei Luderers Solo „Wie gehts weiter” den Atem an ob so viel Gefühl von Verzweiflung bis stumpfer Stärke. Toll!
Willi Welps Conferencier hat etwas zu wenig Dekadenz, ebenso kommt das Diabolische dieser Rolle zu kurz, er macht das aber mit großer Stimme, Eleganz und starker Bühnenpräsenz wett. Asita Djavadis „Maybe this Time” wird dank ihrer grandiosen Belt-Stimme zum Showstopper. Schade, daß sie so wenig tanzen darf, da hatte sie im Alten Schauspielhaus in Stuttgart als Sally mehr zu tun und konnte auch zeigen, was sie tänzischerisch eigentlich drauf hat. Zu allem Überfluß hat man ihr auch noch “Mama” gestrichen. Sie zeigt trotzdem eine zerrisene, gleichzeitig unglückliche und doch lebenslustige Sally und lenkt die Aufmerksamkeit geschickt auf das Schicksal dieser Figur. Kristian Lucas ist ein sehr braver Cliff, es wäre sicher spannender gewesen, wenn Helga Wolf ihn nicht nur als den netten Jungen mit Prinzipien gesehen hätte.
Nebendarsteller und Ensemble agieren präzise und engagiert, Licht und Bühne weisen leider oben genannten Mangel an Glamour auf, halten aber am Premierenabend Wind und Regen mühelos stand. So hat diese Inszenierung trotz aller Kritik sicher ihre großen Momente, wichtige Facetten des Stoffes wurden aber leider vernachlässigt.
Do, 08.07.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | Premiere |
So, 11.07.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
Fr, 16.07.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
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So, 18.07.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
Do, 22.07.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
Fr, 23.07.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
Mo, 26.07.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
Di, 27.07.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
Do, 29.07.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
Fr, 30.07.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
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Mi, 04.08.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
Fr, 06.08.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
So, 08.08.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
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Mo, 16.08.2004 20:30 | Burgfestspiele, Jagsthausen | |
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