Jürgen Gallus (Buch&Regie) und Christian Heckelsmüller (Musik) haben mit befreundeten Musicalsängern ein erstaunliches Projekt auf die Beine gestellt: Ein überdurchschnittlich gutes Sechs-Personen-Stück für nur fünf Aufführungen vor der 288-Mann-Tribüne auf dem Kressbronner Rathausplatz. Mit einigen inhaltlichen Schwächen, aber anrührenden Momenten, viel Witz und guter Musik.
Die naiv-verträumte Betty (Tamara Wörner) wird von dem cool-protzigen Barbesitzer John (Kai Bronisch) und dem weltmännischen Kneipen-Multi Everet van Delft (Willem van Dinteren) umschwärmt. Kellner Pietro (Theodor Reichardt), der eigentlich mit der oberflächlichen, aber herzensguten Anne (Carola Thierheimer) turtelt, verguckt sich ebenfalls in die schöne Betty (warum er seine Anne dafür stehen lässt, wird allerdings nicht klar). Als Habenichts kommt er gegen die beiden Nebenbuhler nicht an. Also verkauft er sein Herz an die geheimnisvolle Lucky (Arlette Stanschus). Er wird reich, erobert Betty – und verliert seine Gefühle. Bald schon bereut er den Handel. Zu spät?
Nach dem auch musikalisch eher dünnen Beginn gewinnt das Stück gegen Ende des ersten Aktes an Fahrt. Eine starke Vorpausen-Nummer, witzige Einlagen im zweiten Akt (u. a. der lateinamerikanisch angehauchte Ohrwurm “Komm in uns’re Bar”) und schöne Gegengesänge sind die musikalischen Highlights. Inhaltlich leidet das Stück allerdings darunter, dass die Figuren im ersten Akt zu wenig entwickelt werden. Manch großes Gefühl kommt da etwas plötzlich und unglaubwürdig daher. In der zweiten Hälfte ist es an einigen Stellen schwierig, der Handlung zu folgen – zu kryptisch oder schnell sind die (teilweise sehr poetischen) Songtexte bisweilen. Doch die flotten bis schönen Pop-Nummern, pfiffige Choreographien (Joachim Quirin), eine spielfreudige und stimmgewaltige Cast, viele nette Inszenierungseinfälle sowie das sympathische Flair der Kleinproduktion machen das wieder wett.
Und da sich die Story an Motiven des Märchendichters Wilhelm Hauff orientiert, ist es nur logisch, die Show mit einem Lied zu beenden, dass den modernen Märchenerzählern huldigt: einer typischen Disney-Botschaft (“Jeder Tag bringt neue Fragen, die Antwort kennst allein nur du”) und einer Melodie, die geradewegs dem Film “Anastasia” entsprungen zu sein scheint.
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