In die beinahe unzähligen Aufnahmen von Sylvester Levays und Michael Kunzes Musical über das Leben der unglücklichen Kaiserin von Österreich reiht sich 2024 eine neue EP mit sechs Songs ein. Besonders spannend ist diese durch die Besetzung, die – mit Ausnahme von Annemieke van Dam in der Titelrolle – komplett neu und außergewöhnlich ist.
Diese jährlichen Neuauflagen von “Elisabeth in Concert” im Ehrenhof des Schlosses Schönbrunn in Wien sind mittlerweile fast schon Tradition und werden gerne auch für die Nachwelt konserviert. Die Vereinigten Bühnen Wien haben den Fans bereits eine Live-CD der Fassung mit Pia Douwes von 2019 und eine Blu-ray/DVD-Aufzeichnung mit Maya Hakvoort 2022 beschert. In diesem Jahr – dem letzten, in dem die Show Open-Air in Wien gezeigt wird, bevor sie auf große Konzert-Tournee durch Deutschland geht – haben sich die Verantwortlichen für ein kleineres Format entschieden: eine EP mit sechs Songs. Die CD im Jewel Case kommt mit einem vierseitigen Booklet, das Cast- und Kreativ-Team sowie die beteiligten Mitglieder des Orchesters der Vereinigten Bühnen Wien auflistet. Außerdem enthält das Booklet zwei Fotos der Inszenierungen aus den Vorjahren, was nachvollziehbar ist, da die CD bereits vor der diesjährigen konzertanten Spielzeit aufgenommen wurde. Es ist allerdings etwas irritierend, auf einer CD mit Gino Emnes als Tod und Annemieke van Dam als Elisabeth Bilder von Mark Seibert und Maya Hakvoort bzw. Pia Douwes zu sehen. Ein Blick auf das im Booklet aufgeführte Ensemble ist ebenfalls spannend. Namen wie Steffi Irmen oder Anja Backus, die bei der konzertanten Aufführung nicht dabei waren, könnten möglicherweise einen Hinweis auf die Besetzung der Tournee geben.
Die CD beginnt mit “Der letzte Tanz”, bei dem Gino Emnes einen ersten Einblick in seine Interpretation der Rolle gibt. Sowohl in diesem Solo als auch in den Duetten mit Elisabeth (“Wenn ich tanzen will”) und Erzherzog Rudolph (in “Die Schatten werden länger”) legt Gino Emnes seinen Tod weniger wie ein Rockstar an, wie etwa sein Vorgänger Mark Seibert die Rolle interpretiert hat. Vielmehr wirkt Emnes’ Tod wie ein lauerndes Raubtier, das mit einschmeichelnder Stimme beginnt, Rudolph in “Die Schatten werden länger” verschwörerisch zuflüstert, er solle nach der Macht greifen, um dann zum Höhepunkt seiner Songs in voller stimmlicher Kraft auszubrechen. Seine für diese Rolle ungewöhnlich helle Stimmfarbe unterstützt das sinnlich-verführerische Element seiner Interpretation.
Annemieke van Dam ist nun bereits zum dritten Mal mit einigen Jahren Abstand als Elisabeth auf CD zu hören, und es ist spannend nachzuverfolgen, wie sie sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und sich die Rolle zu eigen gemacht hat. Ihr “Ich gehör nur mir” reiht sich nahtlos in die Interpretationen der großen Elisabeth-Darstellerinnen Douwes und Hakvoort ein. Sowohl die stimmliche Entwicklung von der jungen Elisabeth in “Ich gehör nur mir” hin zur Mutter eines erwachsenen Sohnes bei “Wenn ich dein Spiegel wär'” als auch die zunehmende Verbitterung über ihr Leben sind auch beim bloßen Hören sehr gut nachvollziehbar.
Riccardo Greco liefert ein ironisch-spöttisches und kraftvoll-wütendes “Kitsch” ab. Moritz Mausser, der in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal als Erzherzog Rudolph in der konzertanten Fassung auf der Bühne stand, phrasiert seine Songs teils ungewöhnlich und sehr gefühlvoll und betont die weiche, verletzliche Seite des Kronprinzen. Sein Flehen gegenüber seiner Mutter bei “Wenn ich dein Spiegel wär'” trifft ebenso mitten ins Herz wie seine Enttäuschung darüber, dass sie ihn nicht unterstützen wird.
Das Orchester der Vereinigten Bühnen Wien klingt gewohnt voll, und die in Nuancen veränderten Orchesterparts, wie die stärkere Betonung der E-Gitarren bei “Kitsch”, verleihen der Aufnahme einen modernen Touch. Alles in allem lohnt sich auch die neue Aufnahme vor allem durch die spannenden Neuinterpretationen der Rollen des Todes, des Luchenis und des Erzherzogs Rudolph sowie die Weiterentwicklung der Elisabeth. Leider haben es andere – gerade für Fans des Musicals sicherlich ebenfalls interessante – Songs wie die von Armin Kahl als Franz Joseph oder Helen Schneider als Erzherzogin Sophie nicht auf die EP geschafft. Aber vielleicht besteht ja die Hoffnung, dass der EP noch eine Gesamt- oder zumindest eine Highlights-Aufnahme folgt.
Bericht | Galerie | ||||||||
GALERIE |
---|