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Ulrich Wiggers bringt zum 100-jährigen der Freilichtspiele in Tecklenburg mit “Mamma Mia!” einen sommerlichen Feiergaranten in das Gemäuer der alten Burgruine. Völlig neu und modern arrangiert spricht die Inszenierung ein breites Publikum an. In sehr griechischem Look kommt schnell Urlaubsstimmung auf. Die Ma-Donna des Abends – Wietske van Tongeren – führt das Ensemble souverän den Abend hindurch an und singt und spielt sich in die Herzen der Zuschauer. Zwischenzeitige Standing Ovations, ein nahezu fortlaufendes Mitklatschen und -trällern stellt unter Beweis: “Mamma Mia!” kommt im neuen Kostüm mit den altbekannten und extrem aufwendig durchchoreographierten ABBA-Hits in der deutschen Fassung von Michael Kunze nach wie vor extrem gut an, wenn, wie hier, so viel Liebe zum Detail und die große Leidenschaft der durchweg professionellen Cast am Werke sind.
Die Geschichte um die große Leidenschaft junger Liebe, der wenig entgegenzusetzenden Liebe zwischen Mutter und ihrem (heranwachsenden) Kind und das Nicht-vergessen-können der großen verlorenen Liebe bietet Jung und Alt vielfältige Identifikationsmöglichkeiten. Ulrich Wiggers legt genau auf diese großen Gefühle großen Wert und stellt die Emotionen der Figuren stets in den Mittelpunkt, was seiner Inszenierung des Jukebox-Musicals von Björn Ulvaeus, Benny Andersson und Catherine Johnson eine eigene Tiefe verleiht. Trotz der nahezu durchgehenden Partystimmung gelingt es dem Ensemble sehr gut, die inneren Konflikte und Zerrissenheit ihrer Figuren rüberzubringen.
Wietske van Tongeren kann nicht anders – und das so berauschend gut – als ihrer Donna eine enorme Tiefe zu verleihen und ihre Mitspieler an die Burgmauern zu singen und doch mit ihnen zu harmonieren. Die kämpfende alleinerziehende Mutter, das gebrochene Herz, das sich schließlich für ihre verflossene Liebe Sam doch wieder erweichen lässt – alles nimmt man ihr ohne Wenn und Aber ab, und im nächsten Moment besticht sie auch noch als sexy und stimmgewaltige Frontfrau ihrer Dynamos! Eine bessere Besetzung hätte es für die Hauptrolle gar nicht geben können! Van Tongerens Präsenz sucht ihresgleichen! Die ohnehin vollends gelungene Inszenierung Wiggers gewinnt zusätzlich durch diesen unumstrittenen Star ihres Genres.
Celena Pieper als Donnas Tochter Sophie steht ihrer Bühnenmutter höchstens noch in Erfahrung ein wenig nach: Glockenklar und zart (“Mich trägt mein Traum”) oder verwegen und lasziv (“Leg dein Herz an eine Leine”) stellt Pieper ihre enorme Wandlungsfähigkeit nicht nur im Spiel, sondern auch im Gesang unter Beweis. Tänzerisch stellt sie mit ihrem Spielpartner Andrew Chadwick als Sky ein starkes Paar dar, gesanglich und im Spiel steckt sie Chadwick jedoch gnadenlos in die Tasche. Piepers Spiel ist ihrer Rolle entsprechend erfrischend jugendlich und wirkt unnachahmlich leicht.
Das Trio der mutmaßlichen Väter Sam, Bill und Harry gibt insgesamt eine witzige Kombo ab. Jeder der Darsteller besticht auf eigene Art und Weise:
Oliver Arno als smarter, etwas in die Jahre gekommener Sunnyboy Sam, der anscheinend nie ganz erwachsen wurde, weil seine Geschichte mit Donna für ihn nicht zu Ende erzählt scheint, passt unheimlich gut in die Rolle und wirkt in seinem Spiel sehr lebensecht. Bei “S.O.S.” bietet er seiner so starken Spielpartnerin van Tongeren liebevoll die Stirn.
Benjamin Eberling als Weltenbummler Bill aus Berlin kommt wie ein Tanzbär seiner Rolle entsprechend sehr liebevoll der vermeintlichen Tochter Sophie gegenüber herüber. Gewollt etwas aus der Rolle gefallen wirkt er in seinem mit Strass besetztem 70er-Jahre-Outfit im Finale bei “Waterloo”. Seine Spielfreude ist absolut bestechend!
Alexander di Capri als braungebrannter Harry “Headbanger” wirkt in seiner Rolle so liebenswert und sanft (“Unser Sommer”) und scheint die Damen – aber selbstverständlich auch die Herren – mit seiner romantischen Ader zu bezirzen. Ihm ist durchgehend der Schalk im Nacken und die Leidenschaft am Spiel anzumerken.
Navina Heyne als Namaste-Rosie verkörpert mit viel Witz und Charme eine absolut schrullig-schrille Emanze. Ihr starkes Spiel wird ihrer kleineren Rolle mehr als gerecht. Rachel Marshall spielt eine herrlich tussige Männerfalle und weiß nicht nur mit den Männern und Jungs auf der Bühne zu spielen, sondern auch das Publikum für sich einzunehmen.
Das rund 50-köpfige Ensemble bespielt gemeinsam mit dem Chor die riesige Bühne unter Wiggers Regie unheimlich lebendig. An den Bühnenrändern sitzen nahezu durchweg ältere Damen in ihre Handarbeiten vertieft. Auf der alten Burgzinne behalten zwei ältere Herren den Leuchtturm – eigens für das Stück an die Burgmauer angebaut – im Auge und scheinen über das bunte Treiben auf der Hauptbühne zu wachen. Diese Komparsen bieten dem Stück einen Rahmen, der jedoch einmal durchbrochen wird, indem der Zuschauerraum mit genutzt wird. So wirkt die Geschichte weniger vom Publikum abgerückt und noch immersiver, was ihrer authentischen Darstellung aber nichts nimmt.
Im Mittelpunkt des Bühnenbildes von Jens Janke steht eine weiße Häuserfront mit weißen Treppen, blauen Türen und ein pinkfarbener Blütenzauber – und schon taucht der Zuschauer in die Urlaubsstimmung des Stückes ein. Wegweiser zum Strand und zum Hafen markieren tatsächlich Bühnenauf- und -abgänge, wirken aber sehr einem griechischen Urlaubsort nachempfunden.
Links auf einem alten Podium ist eine Drehbühne installiert, die einerseits die Taverne des kleinen Hotels beheimatet, andererseits Säulen, die für den Auftritt der Männer zum Junggesellenabschied eine göttliche Kulisse und Wirkung garantieren.
Plötzlich taucht ein VW-Cabriolet aus dem Off auf und bringt “Donna und die Dynamos” zu ihrem Auftritt auf Sophies Junggesellinnenabschied. Über das offene Verdeck präsentieren die Damen “Super Trouper” für die angehende Braut. Die Stimmung ist perfekt!
Die stimmungsvollen Choreographien von Francesc Abós werden vom gesamten Ensemble und Chor mit viel Schwung und voller Wucht vertanzt. Soli, Paartänze, viele Hebefiguren und Sirtaki reißen die Zuschauer mit, Requisiten werden in die Tänze eingebunden. Nicht zuletzt animieren die Damen der Vorstellung, allen voran (wieder) van Tongeren, das gesamte Publikum mitzugehen, in dem sie den gesamten Zuschauerraum bei “Dancing Queen” einmal umrunden und eben damit die vierte Wand der Bühne durchbrechen. Der Zuschauer ist mittendrin statt nur dabei!
Die Kostüme von Fabienne Ank sind durchgehend modern und leicht gehalten. Sie unterstreichen damit eine unbekümmerte Atmosphäre. Fröhliche Farben, nicht zu grell und doch wirkungsvoll, geben jedem Charakter entsprechend ein stimmiges Bild ab: Die mit fliederfarbenem, fransigem Tuch ausgestattete Rosie wirkt genauso authentisch und individuell ausstaffiert wie der Anzugträger Harry und Vamp Tanja in ihrem sexy Glitzeroutfit. Beim Tanzen praktisch sind die Kleider und Röcke mit Schlitz und das raffinierte zweiteilige Brautkleid Sophies wird auf der Bühne schnell passend für ihre Mutter Donna umgestaltet. Jedes Detail ist auch hier durchdacht.
Der Flair des Antiken Griechenlands wird immer wieder durch weiße Gewänder und aufwendigen Goldschmuck aufgegriffen, der die Figuren wie Statuen in einem zerfallenen griechischen Tempel wirken lassen. Ein Streitwagen fährt Donna als mystische Figur im weißen Gewand in Sophies Albtraum auf die Bühne.
Das dutzend-starke Orchester spielt aus dem alten Burggraben unter der Leitung von Giorgio Radoja alle ABBA-Songs präzise, mit vollem Klang und sehr stimmungsvoll.
Wenn das mal nicht DAS Open-Air-Event des Jahres im Genre Musical im deutschsprachigen Raum wird/ist. Absolute Empfehlung: Schnell Restkarten ergattern!!
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KREATIVTEAM |
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Regie | Ulrich Wiggers |
Musikalische Leitung | Giorgio Radoja |
Choreographie | Francesc Abós |
Bühnenbild | Jens Janke |
Kostümbild | Fabienne Ank |
Musik und Gesangstexte | Benny Andersson Björn Ulvaeus (einige Songs mit Stig Andersson) |
Buch | Catherine Johnson |
Originalkonzept | Judy Craymer |
Deutsche Gesangstexte | Michael Kunze |
Deutsche Dialoge | Ruth Deny |
Zusätzliches musikalisches Material / Arrangements | Martin Koch |
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CAST (AKTUELL) |
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GALERIE |
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TERMINE |
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Fr, 16.08.2024 20:00 | Freilichtspiele, Tecklenburg | |
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