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“Es ist schwierig, mit Judy Garland zu leben. Aber weißt du wie schwierig es ist, Judy Garland zu sein?!” Beeindruckend und bedrückend eindringlich wird in Bad Godesberg das Bild eines gebrochenen Stars am Ende von Karriere und Leben gezeichnet, das aufgrund des hochemotionalen Schauspiels aller Beteiligten unter die Haut geht.
Judy Garland, einer der größten Superstars des Showbusiness der goldenen Hollywood-Ära, ist zuletzt durch Renee Zellwegers Oscar-prämierte Darstellung im Film “Judy” wieder weltweit ins öffentliche Gedächtnis gerufen worden. Dabei sind Garlands Werke allgegenwärtig: Die in der Rolle der Dorothy Gale im “Zauberer von Oz” bekannt gewordene als “World’s Greatest Entertainer” gelabelte Ikone ist durch Songs wie “Somewhere Over the Rainbow” oder “Have Yourself a Merry Little Christmas” zu einer zeitlosen Interpretin geworden. Obwohl sie zu ihrer Zeit die bestbezahlteste Konzertsängerin der Welt war, war ihr Leben von Niederschlägen, Drogen- und Alkoholexzessen und Tablettensucht geprägt.
Über ihre letzten Monate in London vor ihrem frühen Tod mit 47 Jahren, die sie mit einem Engagement im Theater “Talk of the Town” verbringt, berichtet Peter Quilters Musiktheaterstück “End of the Rainbow”, das die Vorlage zum preisgekrönten Leinwanderfolg “Judy” lieferte und nun in Bad Godesberg in deutscher Sprache präsentiert wird. Hartgesottene Garland-Fans verurteilen das Theaterstück aufgrund der sehr exzentrisch-vulgären Darstellung von Judy als Privatperson und prangern das Dramatisieren des Lebens des eigentlich lebensfrohen, familiennahen und albern-lustigen Filmstars an. Eine kontroverse Rolle mit großen Fußstapfen, derer sich in Bad Godesberg die Schauspielerin Heike Schmidt annimmt.
Frank Oppermanns Inszenierung im Kleinen Theater Bad Godesberg ist nahbar, intim und dadurch besonders immersiv. Das Publikum erhält gleichermaßen das unangenehm ergreifende Gefühl, als Voyeur in Garlands Londoner Hotelzimmer an den hässlichen Momenten ihres Lebens teilzuhaben – aber auch Teil ihrer Konzertzuschauer zu sein, wenn Judy im “Talk of the Town” auftritt. Oppermann versteht es vor allem, die dramatischen und traurigen Episoden in diesem Stück mit beklemmendem Timing zu versehen, sodass der ein oder andere Kloß im Hals entsteht, wenn der Zuschauer Zeuge wird, wie eine weinende, flehende oder körperlich komplett zerstörte Frau um ihr Leben kämpft. Das Lichtdesign von Kevin und Lutz Arkenberg unterstützt diese Emotionalität. Burkhard Kleins Kostüme kommen vor allem der Hauptfigur zugute und lassen durchaus an die reale Garland-Garderobe erinnern.
Aufgrund der wirklich geringen Größe des Theatersaals ist keine elaborierte Tontechnik nötig – alles ist einwandfrei zu verstehen. In Judys Showauftritten erhält sie ein stilechtes Kabel-Mikrofon mit eingestelltem Hall, was Erinnerungen an Garlands triumphale Konzerte und TV-Auftritte weckt. Die fünfköpfige Band unter der Leitung von Theo Palm kommt leider nicht so oft wie erhofft zum Einsatz. So fehlen Songs wie “Swanee” oder “Rock-a-Bye Your Baby”, die in anderen Inszenierungen zu hören sind. Die verbleibenden Lieder spielt die Band etwas schwerfällig, aber immer sauber und – vor allem bei den ruhigen Nummern, allen voran “Over the Rainbow” – mit viel Gefühl.
Die Hauptdarstellerin wird von zwei großartig agierenden Herren unterstützt: James Bürkner verkörpert Garlands fünften und letzten, deutlich jüngeren Ehemann Mickey Deans. Seine Rolle legt er ambivalent an, was schauspielerisch vortrefflich gelingt. Einerseits gibt er einen liebevollen und oftmals erstaunlich geduldigen Unterstützer für Judy, der ihr ein Fels in der Brandung sein will. Andererseits ist er genauso temperamentvoll und cholerisch wie seine Partnerin und zeigt machohaftes Gehabe, das sich im Verlauf der Beziehung zuspitzt. Er zieht Garland in eine toxische Koabhängigkeit, die Judy nur in ihrem todbringenden Suchtmittelkonsum bestärkt. Bürkners eindrucksvollste Szene im Zusammenspiel mit Heike Schmidt findet sich im zweiten Akt, als Deans einer vollkommen neben sich stehenden, fragilen und wehrlosen Garland weitere Tabletten einflößt, um sie wieder auf die Bühne zu schicken. Zurecht geht hier ein entsetztes Raunen durch das Publikum.
Den ruhigen Gegenpart zu dieser polarisierenden Darstellung bildet Carlos Garcia Piedra als Anthony, eine fiktive Figur, die Judy Garlands Pianist und engster Vertrauter darstellen soll. Herzerwärmend spielt Piedra den umsorgenden besten Freund, der mit Garland lacht und weint – und damit eine ganz andere Farbe des Zusammenspiels in das Stück mit einbringt.
Auch durch die Interaktion mit Piedras und Bürkners Figuren kann Heike Schmidt im Verlaufe der Handlung sämtliche Gefühle ausspielen, die es bedarf, um eine greifbare und facettenreiche Protagonistin zu kreieren, mit der das Publikum fühlen kann. Dies gelingt Schmidt so eindrücklich, dass es beinahe egal wird, ob sie wirklich eine originalgetreue Judy Garland mimt. Schmidt ist zwar nicht die stimmgewaltigste Sängerin und hat merklich mit dem geforderten tonalen Umfang zu kämpfen, doch gefällt ihre raue und fragile Gesangsstimme in einigen Songs gut und lässt tatsächlich an Garlands letzte Auftritte, bei denen ihre unverkennbare Stimme bereits an Strahlkraft verloren hatte, erinnern. Besonders in den tiefen Parts kommt Schmidt mit ihrem Timbre der Garland nahe. Schmidt verzichtet auf die ikonischen Mannierismen, Bewegungen und Gestiken von Judy Garland gänzlich und kreiert ihre eigene Kunstfigur, was einen Garland-Fan vielleicht ernüchtern mag – doch ist ihre gezeichnete Figur voller Emotionen und versteht es, eben solche beim Publikum zu erwecken. Ihre tiefe Sprechstimme und ihr Duktus wiederum könnten Judy Garland kaum näher sein.
Im Gedächtnis bleibt Schmidts Mut, die Abgründe der Gefühle ihres Charakters zu erforschen und in ihrem Schauspiel für alle sichtbar nach außen zu tragen. Wenn sich Judy Garland nach einem kompletten Nervenzusammenbruch von einem zitternden Wrack graduell wieder zur Showdiva verwandelt oder sich am Ende – nach einem emotionalen Rückblick auf Garlands Leben – zu einem ganz unprätentiösen “Over The Rainbow” auf dem Sofa sitzend von ihrem Publikum verabschiedet, erzeugt das Gänsehaut. Was Schmidt hier schauspielerisch auf der Bühne leistet, ist mitreißend und erschütternd schonungslos zugleich. Großes Kino!
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung | Frank Oppermann |
Musikalische Leitung | Theo Palm |
Kostüme | Burkhard Klein |
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CAST (AKTUELL) |
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Judy Garland | Heike Schmidt |
Mickey Deans | James Bürkner |
Anthony Chapman | Carlos Garcia Piedra |
Band | Theo Palm Christoph Fischer Christoph Freier/Roland Weber Bernd Kistemann George Tjong Ayong |
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GALERIE |
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