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Lange Zeit war es still geworden um “Love Never Dies”, der Fortsetzung zu Andrew Lloyd Webbers wohl erfolgreichster Show “The Phantom of the Opera”. Zwar gab es nach der Londoner Spielzeit auch internationale Inszenierungen, unter anderem in Australien und hierzulande in Hamburg, eine kurze konzertante Spielzeit in Wien und zuletzt eine Tournee durch Nordamerika; an den Erfolg des “Phantoms” konnte “Love Never Dies” allerdings niemals auch nur annähernd anschließen. Einer der Hauptkritikpunkte war immer, dass die Story, in der Christine und das Phantom 10 Jahre nach ihrer ersten Begegnung in Amerika wieder aufeinandertreffen, zu sehr an den Haaren herbeigezogen wirkt. Bei der nun in London gezeigten konzertanten Fassung tritt die Handlung freilich in den Hintergrund. Glänzen dürfen dafür die großartige Besetzung und das 27-köpfige Orchester, die gemeinsam die schwelgend-romantische Musik Lloyd Webbers im wunderschönen Theatre Royal Drury Lane zum Strahlen bringen.
Anders als beim zeitgleich stattfindenden “Death Note in concert” nimmt Regisseur Shaun Kerrison den Zusatz “in concert” vergleichsweise ernst und begnügt sich bei “Love Never Dies” lediglich mit einem angedeuteten Bühnenbild. Im Hintergrund und an den Bühnenrändern deuten Karussell-Pferde, wallende Vorhänge und Girlanden den geheimnisvollen Vergnügungspark “Phantsama” an, den das Phantom nach seiner Flucht aus Paris auf Coney Island angelegt hat. Die unwirkliche Atmosphäre wird durch ein Lichtdesign unterstützt, das die Bühne beinahe immer im Halbdunkel lässt und nur die unmittelbaren Szenen beleuchtet. Nur wenige – und dann auch meist nur angedeutete – Requisiten unterstützen die Erzählung der Geschichte. Beim “Coney Island Waltz”, wo immer mehr absonderliche und merkwürdige Gestalten auf der Bühne erscheinen und die Welt des Amüsierviertels vor den Toren New Yorks zum Leben erweckt wird, findet dies größtenteils nur vor dem geistigen Auge der drei ‘Freaks’ Mr. Squelch, Dr. Gangle und Fleck und dem tanzenden Ensemble statt und wird so der Fantasie der Zuschauer überlassen.
Die Kostüme sind dagegen äußerst detailverliebt gestaltet und an die inszenierten Fassungen angelehnt. Verändert wurde lediglich das Kostüm von Meg, die jetzt eher wie eine Art Zirkusartistin gekleidet ist, sowie die Maske des Phantoms, die jetzt metallisch – je nach Lichteinfall golden oder silbern – schimmert.
Shaun Kerrison setzt immer wieder auf kleine, aber enorm wirkungsvolle Inszenierungsideen. Wenn Christine im Hotelzimmer die Partitur zu “Love Never Dies” entdeckt – dem Song, den das Phantom für sie geschrieben hat – und sie die ersten Takte vor sich hin summt, nimmt das Orchester die Melodie auf. Christine zuckt erschrocken zusammen, so als könne auch sie plötzlich die Musik in der vollen Orchesterfassung hören, ohne zuordnen zu können, woher diese Musik kommt. Sie hört sie nur in ihrem Geiste. Dieser Moment wird in einer späteren Szene nochmals aufgenommen, wenn das Phantom sich bei “The Beauty Underneath” fragt, wieso auch Gustave “die Musik” höre.
Bei der Partitur greift der Musikalische Leiter der Show Freddie Tapner auf die für die australische Inszenierung überarbeitete Fassung der Show zurück, die auch in Hamburg zu sehen war. Diese Fassung spielt nochmal viel mehr als die Ursprungsversion mit den musikalischen Motiven aus “Phantom”. Besonders gut gelingt hier die Szene, wenn das Phantom Gustave sein Phantasma zeigt und Gustave dort ein Klavier entdeckt, auf dem er die ersten Töne aus “Beautiful” spielt, die immer mehr zum Titelmotiv aus “Phantom” werden und das Phantom daraufhin erkennt, wer der wahre Vater von Gustave ist. Hier und an vielen weiteren Stellen verschmelzen die Partituren der beiden Werke immer wieder miteinander. Das große London Musical Theatre Orchester unter der Leitung Tapner spielt Lloyd Webbers Partitur enorm leidenschaftlich. Die Tonabmischung des Orchesters und auch im Verhältnis von Orchester zu Darstellern ist in der besuchten Vorstellung hervorragend. Selbst in den lauten, donnernden Passagen sind einzelne Instrumente deutlich herauszuhören. Nicht umsonst wird das Orchester beim Schlussapplaus auch besonders bejubelt. Lediglich beim rechtzeitigen Anschalten der Mikrofone der Darsteller (vor allem bei Raoul) gibt es manchmal Probleme – vielleicht aufgrund der enorm kurzen Probenzeit im Theater.
Bei der Besetzung beweisen die Macher von “Love Never Dies in concert” ein glückliches Händchen. Nic Greenshields (Squelch), Charles Brunton (Gangle) und Lucie-Mae Summer (Fleck) sind mit ihren besonderen Stimmfarben ein tolles Freak-Trio, Matthew Seadon-Young ein rollengerecht ziemlich unsympathischer Raoul, der seine wenigen Songs mit sehr reiner Stimme über die Rampe bringt. Courtney Stapelton entwickelt ihre Meg vom lebensfrohen Wirbelwind hin zu rasend eifersüchtigen Furie, die dann das Unglück zum Laufen bringt. Lediglich Sally Dexters Madame Giry lässt einen mit einigen Fragezeichen zurück: Warum ist sie die einzige Person, die einen französischen Akzent spricht und singt, wo doch alle Hauptfiguren aus Frankreich stammen?
In der Rolle der Christine steht Celinde Schoenmaker auf der Bühne, die bereits 2015 in der Londoner Inszenierung von “The Phantom of the Opera” diese Rolle gespielt hatte. Ihre Christine hat in den 10 Jahren, die zwischen der Originalgeschichte und der Fortsetzung liegen, eine deutliche Entwicklung gemacht. Schoenmaker ist in dieser Inszenierung nur in zweiter Linie der berühmte Opernstar aus dem Paris des 19. Jahrhunderts. In erster Linie ist sie nun Mutter ihres Sohnes Gustave. Ihr gemeinsames Duett “Look with Your Heart” strotzt geradezu vor Mutterliebe. Schoenmakers Stimme, die in den vergangenen Jahren gereift scheint, ist perfekt für die Rolle der deutlich reiferen und nachdenklicheren Christine aus “Love Never Dies”. Ihre Interpretation des Titellied bekommt dann auch mit Recht langanhaltenden Szenenapplaus.
Eine kleine Sensation war die Besetzung des Phantoms mit Broadway-Star Norm Lewis, der 2014 der erste dunkelhäutige Darsteller war, der in New York in die Rolle des Phantoms schlüpfte. Lewis vermag es, seine Stimme enorm unterschiedlich einzusetzen. Mal ist er schmeichelnd verführerisch, wie bei “Beneath a Moonless Sky”, mal angsteinflößend, wenn er Christine droht, ihr alles zu nehmen, was ihr etwas bedeute. Und seine letzten Töne in “‘Til I Hear You Sing” sind beinahe eine donnernde Naturgewalt. Da sich die konzertante Inszenierung so sehr auf die Figuren der Show fokussiert, wird die Beziehung zwischen Christine und dem Phantom auch viel deutlicher dargestellt. Das gipfelt in einem leidenschaftlichen Kuss zwischen den beiden, wenn Christine nach “Love Never Dies” zurück in ihre Garderobe kommt und dort auf das Phantom trifft. Einige Texthänger von Norm Lewis in der besuchten Vorstellung sind ein kleiner Wermutstropfen in seiner sehr guten Rolleninterpretation. Ein überraschendes Highlight im Theatre Royal Drury Lane ist die Besetzung des zehnjährigen Gustaves. Dieser wird von Cian Eagle-Service mit großem schauspielerischem Talent und einer wunderschönen Singstimme gespielt.
Im Vergleich zu den bisherigen Inszenierungen von “Love Never Dies” könnte diese konzertante Fassung, die auf allen unnötigen Zusatz und große optische Opulenz verzichtet, die bisher schlüssigste Version sein. Vielleicht beweist das auch, dass “Love Never Dies” sich besser auf das Wesentlich konzentriert und sich damit auch für kleinere Produktionen empfiehlt. Damit wird der Blick auf die Magdeburger Open-Air-Produktion im nächsten Sommer – die erste Inszenierung eines Stadttheaters – noch einmal besonders spannend sein.
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KREATIVTEAM |
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Musik | Andrew Lloyd Webber |
Text | Glenn Slater |
Buch | Andrew Lloyd Webber Ben Elton |
Regie | Shaun Kerrison |
Musical Supervision | Simon Lee |
Musikal. Leitung | Freddie Tapner |
Choreographie | Jo Goodwin |
Sound Design | Adam Fisher |
Licht Design | Tim Deiling |
Bühne / Kostüme | Rebecca Bower |
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CAST (AKTUELL) |
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Phantom | Norm Lewis |
Christine | Celinde Schoenmaker |
Raoul | Matthew Seadon-Young |
Meg | Courtney Stapleton |
Gustave | Cian Eagle-Service |
Mme Giry | Sally Dexter |
Squelch | Nic Greenshields |
Gangle | Charles Brunton |
Fleck | Lucie-Mae Sumner |
Ensemble | Chloe Campbell Alex Christian Courtney George Aoife Kenny Alex Pinder Emily Ann Potter |
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GALERIE |
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TERMINE |
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TERMINE (HISTORY) |
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Mo, 21.08.2023 19:30 | Theatre Royal Drury Lane, London | Premiere |
Di, 22.08.2023 14:30 | Theatre Royal Drury Lane, London | |
Di, 22.08.2023 19:30 | Theatre Royal Drury Lane, London | Dernière |