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Während hierzulande die Musicals von Frank Wildhorns schon allein durch “Jekyll & Hyde” beinahe zum Standard-Repertoire der Stadttheater gehören, fehlten seine Stücke in der Musicalmetropole London bisher. Nach einer erfolgreichen Spielzeit von “Bonnie and Clyde” folgt nun also das auf einem japanischen Manga beruhende “Death Note” in einer konzertanten Fassung. Die ursprünglich zwei angekündigten Aufführungen waren so schnell ausverkauft, dass sich nach einer zusätzlichen dritten Show nun auch noch eine kurze Spielzeit im Londoner Lyric Theatre anschließt. Nach den enthusiastischen Reaktionen des Publikums zu schließen, dürfte das allerdings noch lange nicht das Ende von “Death Note” im West End gewesen sein.
Nicht kleckern, sondern klotzen scheint bei “Death Note” in London die Devise gewesen zu sein: Mit dem London Palladium haben sich die Macher eines der größten Londoner Musicalhäuser ausgesucht. Dies gilt sowohl für die Anzahl an Sitzplätzen als auch für die große Bühne. So fällt auch gleich beim Betreten des Theatersaals auf, dass es sich bei dem Zusatz “in concert”, mit dem die Show beworben wurde, um eine arge Untertreibung handelt. Das Bühnenbild besteht aus einer die gesamte Bühnenbreite umfassenden Konstruktion aus Würfeln, die durch Treppenstufen miteinander verbunden sind. Auf den drei größten Elementen links, rechts und in der Mitte befinden sich statische Spielorte, während sich auf den Treppenstufen und dem Raum vor der Bühnenkonstruktion immer wieder kleinere Spielorte ergeben, an denen beispielsweise die beiden Shinigamis – eine an die japanische Mythologie angelehnte Art Totengeister – Ryuk und Rem aufeinandertreffen. Eben jener Shinigami Ryuk ist von seiner immer gleichbleibenden Existenz dermaßen gelangweilt, dass er ein “Death Note” auf die Welt wirft. Wer dieses Death Note besitzt, ist in der Lage Menschen zu töten, in dem er deren Namen in das Notizbuch einträgt und sich dabei deren Gesicht vorstellt. Der immer nach Gerechtigkeit strebende Schüler Light findet das Notizbuch und sieht seine Chance gekommen, eine bessere Welt zu erschaffen. Seine Morde erwecken allerdings schnell die Aufmerksamkeit der Polizei und des geheimnisvollen Detektivs “L”.
Ivan Menchell, der für das Buch der Bühnenfassung zuständig ist, versucht mit seiner Erzählung möglichst nah an der ursprünglichen Geschichte zu bleiben und nimmt beinahe alle Plot-Twists des immerhin 58 Kapitel umfassenden Mangas in seine Fassung mit auf, was die Geschichte stellenweise etwas konfus wirken lässt. Dazu kommt, dass das Publikum eigentlich einige Grundkenntnis in der Erzählweise und der immer wiederkehrenden Motive (wie beispielsweise der Shinigamis) von Mangas haben müsste, um der Handlung und den vielen Anspielungen und Verweisen komplett folgen zu können. Beim Londoner Konzert ist das offenkundig kein Problem – hier sitzen vor allem Manga-Begeisterte und Fans der Originalgeschichte, die seit ihrem Erscheinen 2003 eine riesengroße internationale Fangemeinde gewinnen konnte, in den Zuschauerreihen des Palladiums.
Frank Wildhorns Stil, seine Mischung aus hitverdächtigem Pop und Musiktheater, ist auch in “Death Note” zu jeder Zeit herauszuhören. Obwohl das Stück nicht komplett durchkomponiert, sondern immer wieder von Sprechszenen unterbrochen wird, vermag es Wildhorns Musik ebenfalls die Handlung zu erzählen. Durch einen geschickten Einsatz von Reprisen und der Mischung aus Solos, in denen die Figuren ihr Handeln reflektieren, sowie Ensemblenummern und Duetten, in denen die Handlung weitererzählt wird, wirkt “Death Note” insgesamt sehr dicht und wie aus einem Guss. Umgesetzt wird die Musik von einer fünfzehnköpfigen Band unter der Leitung von Chris Ma, die hinter der Kulisse auf der Bühne nicht sichtbar platziert ist. Der Sound im London Palladium ist gewaltig und donnernd und untermalt optimal die Dramatik und Bedrohung, die von der Geschichte ausgeht. Lediglich die Tontechnik hat gelegentlich Probleme, die Mikros der Darsteller an den richtigen Stellen aktiv zu schalten. Das dürfte allerdings auch an der extrem kurzen Probenzeit vor Ort im dauerhaft bespielten London Palladium, wo zwei Tage vor den “Death Note”-Vorstellungen noch “The Wizard of Oz” zu sehen war, liegen.
“Death Note in concert” wird nicht nur mit einem kompletten Bühnenbild, einer großen Instrumentalbesetzung, sondern auch mit einem vollständigen Kostümbild inszeniert. Mit den beiden Shinigami Ryuk – mit schwarzem, zu bedrohlichen Stacheln nach oben gestyltem Haar und ebenfalls schwarzem Mantel mit weit ausladendem Federkranz – und der komplett weißen Rem setzt das Kostümbild eine klassische Gut-und-Böse-Symbolik ein, die sich im Laufe der Show bei immer mehr Figuren entdecken lässt. Interessant dabei ist, dass die Kostüme des Ensembles und auch der Hauptfigur des Lights im neutralen grau gehalten sind. Je weiter die Handlung fortschreitet, je mehr Morde Light mit seinem Death Note begehtund er sich also dem “bösen” Ryuk annähert, umso schwärzer werden auch seine Kostüme. Schade nur, dass diese Symbolik vor allem bei L nicht konsequent durchgehalten wird. Dieser wird im Lauf der Geschichte immer versessener, den Mörder zu enttarnen, und scheut auch nicht vor Folter zurück, um an sein Ziel zu kommen. Konsequent zu Ende gedacht, müssten sich also auch seine Kostüme in der Farbgebung ändern, doch er ist das ganze Stück immer in weiß gekleidet.
Die Besetzung von Death Note im Londoner Palladium ist ganz ausgezeichnet und reicht von jungen, sehr talentierten Darstellerinnen und Darstellern bis hin zu einem berühmten Broadway-Star wie Adam Pascal. Sein Ryuk ist einerseits bedrohlich und mit seinem Song “Kira” zeigt er, dass auf keinen Fall mit ihm zu spaßen ist. Auf der anderen Seite sorgt seine Figur auch immer wieder für die witzigen Momente der Show, wenn er sich darüber wundert, wie die Menschen reagieren oder handeln. Besonders die Szenen, in denen er und sein Schützling Light gemeinsam mit anderen Charakteren auf der Bühne stehen, für die Ryuk aber unsichtbar ist, und er mit zynischen Kommentaren die Gespräche kommentiert, gelingen ihm hervorragend.
Die mit ihren Rollen in “Six” und “Pretty Woman” bekannt gewordene Aimie Atkinson in der Rolle der Rem, des zweiten Shinigami, bildet quasi das Gegengewicht zu Ryuk. Ihre Rolle ist deutlich weniger entwickelt und bekommt erst gegen Ende des Stücks eine größere Bedeutung, wenn eine zweite Death Note in Umlauf kommt und Rem zwischen die Fronten gerät. Ihr Solo “When Love Comes” schlägt beim Publikum allerdings beinahe am meisten ein und bringt Atkinson viel Szenenapplaus. Quasi direkt aus Wildhorns erster Show im Londoner West End “Bonnie and Clyde” übernommen wurde Frances Mayli McCann, die nun in der Rolle des J-Pop-Stars Misa die Bühne rockt. Auch die kleineren Rollen der Show sind sehr gut besetzt: Sei es mit Rachel Clare Chan als Lights Schwester Sayu oder mit dem aus den Wiener Inszenierungen von “Miss Saigon” und “Jesus Christ Superstar” bekanntgewordenen Christian Rey Marbella in der Rolle des Polizeikommissars Soichiro, der als Lights Vater mit seinen Bedenken über die Schuld oder Unschuld seines Sohnes hadert.
Für die Rollen der beiden Protagonisten der Show Joaquin Pedro Valdes als Light und Dean John Wilson als L dürfte “Death Note” zu einer bedeutenden Wegmarke in ihren Karrieren werden. Sie stehen beide zum ersten Mal in einer Hauptrolle auf der Bühne im Londoner West End. Lights Figurenzeichnung kommt im Buch der Show ein bisschen eindimensional daher. Joaquim Pedro Valdes schafft es allerdings trotzdem gut, die Handlungen und Motivationen Lights glaubhaft zu vermitteln. Er singt seine Rolle mit starker, poppiger Stimme und wirbelt gleichzeitig die Treppen des Bühnenbilds mühelos hoch und runter. Allen anderen völlig die Show stiehlt allerdings Dean John Wilson als skurriler und geheimnisvoller L. Stets in der Hocke in einem Sessel sitzend oder im Tippelschritt laufend vermittelt er allein durch seine Mimik und Gestik, dass er stets allen anderen einen Schritt voraus ist und die Situation völlig unter Kontrolle hat; Genie und Wahnsinn waren selten so nah beieinander. Das Tennisduell (“Playing His Game”) – welches in seinem Verlauf auch immer mehr zum intellektuellen Duell zwischen Light und L wird – ist sowohl einer der musikalischen als auch der dramatischen Höhepunkte der Show.
Unbestritten hat “Death Note” das Potenzial das Londoner West End weiterzuentwickeln. Schon allein die kurze Konzertreihe hat dafür gesorgt, Menschen ins Musicaltheater zu locken und sich für Live-Musicals zu begeistern, die ansonsten keine Berührungspunkte mit dem Genre Musical hatten. Es bleibt spannend abzuwarten, ob diese Show der Ausgangspunkt für eine neue Art des Musicals sein kann, wie es einst die Blockbuster-Shows der 80iger und 90iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren.
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KREATIVTEAM |
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Musik | Frank Wildhorn |
Text | Jack Murphy |
Buch | Ivan Menchell |
nach der Manga-Serie von | Tsugumi Ohba Takeshi Obata |
Inszenierung / Choreographie | Nick Winston |
Regieassistenz / Choreographie | Alex Sarmiento |
Kostüme | Kimie Nakano |
Musical Supervision | Katy Richardson |
Musikal. Leitung | Chris Ma |
Orchestrierung | Jason Howland |
Bühnenbild | Justin Williams |
Licht Design | Ben Cracknell |
Sound Design | Ben Harrison |
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CAST (AKTUELL) |
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GALERIE |
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TERMINE (HISTORY) |
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Mo, 21.08.2023 19:30 | Palladium, London | Premiere | |||||||
Di, 22.08.2023 14:30 | Palladium, London | ||||||||
Di, 22.08.2023 19:30 | Palladium, London | ||||||||
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Do, 07.09.2023 19:30 | Lyric Theatre, London | ||||||||
Fr, 08.09.2023 19:30 | Lyric Theatre, London | ||||||||
Sa, 09.09.2023 14:30 | Lyric Theatre, London | ||||||||
Sa, 09.09.2023 19:30 | Lyric Theatre, London | ||||||||
So, 10.09.2023 14:30 | Lyric Theatre, London | ||||||||
So, 10.09.2023 19:30 | Lyric Theatre, London | Dernière | |||||||
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